Manchen gilt sie als «feministische Welthauptstadt». Dabei liegt Umeå, nicht ganz so gross wie die Stadt Bern, fernab der europäischen Metropolen, im dünnbesiedelten Norden Schwedens.
Doch die Stadt hat sich international einen Namen gemacht mit ihrem Städtebau – bei dem sie die Perspektive der Frauen seit Jahrzehnten konsequent in den Fokus stellt.
Zentrales Thema ist dabei die Sicherheit im öffentlichen Raum. Dabei ist die Herausforderung im hohen Norden besonders gross: Hier wird es im Winter bereits um 2 Uhr nachmittags dunkel. Doch wer sich in Umeå umsieht, erlebt eine Stadt, die auch bei Dunkelheit einladend wirkt. Hell erleuchtet sind Strassen, Gehwege und Parks – der Schnee und die typisch schwedischen Fensterkerzen tragen ihren Teil dazu bei. Die Stadtplanung aus Frauensicht geht aber weit über die Beleuchtung hinaus.
Das Vorzeigebeispiel der Stadt ist der «Lev»-Tunnel: Die Bahnhofunterführung war einst dunkel und unübersichtlich. Heute ist sie so breit, dass sich Fussgänger, Velos und Kinderwagen jederzeit kreuzen können. Sie hat keine scharfen Ecken und einen Zwischenausgang in der Mitte. Die Wände sind bestückt mit weissen, reflektierenden Kacheln. Eine Kunstinstallation sorgt für akustische Berieselung.
Durchblick und Überblick
Doch ist das repräsentativ? Indirekt schon, sagt Linda Gustafsson, eine der beiden Gleichstellungsbeauftragten von Umeå. Der Tunnel zeige exemplarisch, auf welche Elemente die Stadt auch in anderen Unterführungen setze – die Helligkeit etwa oder die abgerundeten Ecken. Wichtig sei auch der Durchblick: «Wenn man hineingeht und das Ende sehen kann, fühlt sich eine Unterführung sicherer an.» Am wichtigsten aber sei es, dass mit solchen Massnahmen mehr Menschen die Unterführungen nutzen und somit belebte Orte geschaffen würden.
Ein anderes Beispiel sind Parkhäuser – normalerweise nicht gerade Orte, an denen sich Frauen besonders gerne aufhalten. Würden diese neu gebaut, achte man in Umeå auf eine durchmischte Nutzung, um sie belebt zu halten: Wie im Parkhaus «Navet», wo dasselbe Gebäude gleichzeitig ein Schwimmbad mit langen Öffnungszeiten beherbergt. Beim älteren Parkhaus «Nanna» wurde kurzerhand ein gläsernes Treppenhaus angebaut, mit Durchblick von oben bis unten.
Frauen fahren Bus
Für ihre Arbeit stützt sich Linda Gustafsson auf Befragungen und die Analyse von Verhaltens- und Bewegungsmustern. Es zeigt sich: Frauen nutzen öfter den öffentlichen Verkehr als Männer. Darum wird dieser – in der links regierten Stadt – nicht nur aus Umweltgründen gefördert.
Besondere Aufmerksamkeit gilt der Gestaltung sicherer Bushaltestellen. Und auch bei der Schneeräumung werden Busstationen, Geh- und Velowege priorisiert. Ob sich Männer dadurch benachteiligt fühlten? «Das hilft nicht nur Frauen, sondern allen, die kein Auto haben», sagt Gustafsson. Nachdem die Wege und Busspuren geräumt wurden, seien ohnehin auch die anderen Strassen an der Reihe.
Zahlen dazu, inwiefern sich das Sicherheitsempfinden durch die konkreten Massnahmen verändert, liegen der Stadt keine vor. Und natürlich könnte die Bauweise alleine keine Verbrechen verhindern, sagt Gustafsson. Insgesamt aber habe Umeå eine im landesweiten Vergleich tiefe Kriminalitätsrate. Und: «Frauen empfehlen anderen Frauen, im Umeå zu leben.» Die Stadt gilt derzeit als lebenswerteste Stadt Schwedens – und das nicht nur für Frauen.