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Strategien für den Brexit May will Freihandel ohne Personenfreizügigkeit

  • In einer turbulenten Parlamentssitzung hat der neue Brexit-Minister Dominic Raab die Pläne Londons für die künftige Beziehung mit der EU nach dem Brexit vorgestellt.
  • Abgeordnete der Opposition beschwerten sich, weil sie vorab keine Kopien des 100 Seiten starken Weissbuchs erhalten hatten.
  • Die Sitzung musste vorübergehend unterbrochen werden.

Im Kern des neuen Regierungsplans ( hier finden sie das komplette Weissbuch) steht eine Freihandelszone , die den freien Warenverkehr zwischen dem Kontinent und Grossbritannien garantieren soll. Dafür will sich Grossbritannien auch künftig an europäische Regeln und Produktestandards halten.

In Sachen Dienstleistungen, zum Beispiel für Banken und Versicherungen, will Grossbritannien aber eigene Wege gehen und akzeptieren, dass der Zugang zum Binnenmarkt in Zukunft eingeschränkt sein wird.

Das Land will aber auch die Zuwanderung von EU-Bürgern beschränken. Bezüglich Personenfreizügigkeit soll das bisher geltende System enden, so Raab. An deren Stelle müssten Vereinbarungen treten, die den Zugang für Touristen, Studenten und Geschäftsreisende erlaubten. Zudem wurde ein neues System für hochqualifizierte Gastarbeiter erwähnt.

Die im Weissbuch geäusserten Vorstellungen zielen offenbar auch darauf ab, feste Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu verhindern. Die erste Reaktion der irischen Regierung fiel positiv aus. Der irische Aussenminister Simon Coveney sagte, es sei nun sehr unwahrscheinlich, dass es zu einem harten Brexit ohne jede Vereinbarung komme. Die neue britische Position sei ein Fortschritt.

Menschenrechtskonvention soll weiter gelten

Im Bereich Luftfahrt will die britische Regierung dem Weissbuch zufolge weiter an der in Köln ansässigen EU-Agentur für Flugsicherheit (Easa) teilhaben und gegenseitige Flugrechte für den EU-Luftraum behalten. Auf Stimmrechte wollen die Briten bei der Easa verzichten, zugleich aber einen finanziellen Beitrag leisten.

Auch an den EU-Sicherheitsbehörden Europol und Eurojust will sich die Regierung in London finanziell beteiligen und deren Regeln akzeptieren. Die Europäische Menschenrechtskonvention soll auch weiter für das Vereinigte Königreich gelten.

Fraglich ist, wie die EU auf die Pläne reagiert. EU-Chefunterhändler Michel Barnier twitterte, man werde das Weissbuch nun «im Lichte der Richtlinien der EU-Kommission mit den Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament» analysieren. Das Angebot der EU sei ein Freihandelsabkommen «plus eine effektive Zusammenarbeit auf einem breiten Feld von Themen einschliesslich einer starken Sicherheitszusammenarbeit».

Der neue britische Brexit-Minister Dominic Raab äusserte sich zuversichtlich, dass eine Einigung mit der EU über die Bedingungen des Austritts seines Landes aus der Staatengemeinschaft in Reichweite sei. Raab ist Nachfolger von David Davis, der am Wochenende aus Protest gegen die Pläne Mays

zurückgetreten war. Auch Aussenminister Boris Johnson hatte deshalb seinen Hut genommen. Beide fordern eine harte Verhandlungslinie gegenüber der EU.

Kurzeinschätzung von Korrespondentin Henriette Engbersen

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Was die britische Regierung sich wünscht ist ambitioniert, vielleicht zu ambitioniert. Das Problem: Die EU wird dieses Papier kaum durchwinken. Das heisst die Briten müssen sich bewegen. All jene, die für einen harten Brexit sind, fürchten zurecht, dass Mays Position dann näher an die EU heranrücken könnte. Und sie werden kaum ruhig bleiben. Damit ist das nächste politische Gewitter so gut wie sicher. Die Frage ist nur, wie heftig dieses wird.

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