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Streichung von US-Terrorliste Sudan-Experte: «Deal ist Grundbedingung, um Land zu reformieren»

Die USA sind bereit, Sudan von der Liste der Staaten zu streichen, die den Terrorismus unterstützen. Voraussetzung dafür ist die Entschädigung von US-Terroropfern. Nun hat das bitterarme Land 335 Millionen Dollar an die USA überwiesen. Sudan-Experte Philipp Jahn zu den Einzelheiten des Deals.

Philipp Jahn

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Philipp Jahn leitet das Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung in der sudanesischen Hauptstadt Khartum.

SRF News: Was war ausschlaggebend dafür, dass die USA den Sudan von der Terrorliste streichen wollen?

Philipp Jahn: Ausschlaggebend waren die Bemühungen der sudanesischen Übergangsregierung. Diese regiert das Land seit der Revolution 2019, dem Ende von Langzeitherrscher Umar Al-Baschir. Für die Übergangsregierung war es oberste politische Priorität, Sudan von der Terrorliste zu nehmen – um damit die Sanktionen aufzuheben, die das Land an der Integration in die internationale Gemeinschaft hindern.

Damit die USA den Sudan von der Terrorliste nehmen, musste der Sudan eine Entschädigung in Höhe von 335 Millionen Dollar an amerikanische Terroropfer und ihre Angehörigen zahlen. Was hat es damit auf sich?

Dabei geht es um die Terroropfer der Anschläge von Al-Kaida auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania. Dadurch, dass der Sudan auf der Terrorliste stand, konnten die Angehörigen den Sudan vor US-Gerichten anklagen. Der Sudan hat in den 1990er-Jahren Osama bin Laden beherbergt und wurde für die Anschläge mitverantwortlich gemacht. Deswegen sollte er die Opfer entschädigen, bevor er von der Liste gestrichen wird.

Der Sudan steckt in einer grossen Wirtschaftskrise. Die Entschädigung in harter Währung zu zahlen, ist schwierig. Wie kann das Land die Zahlung stemmen?

Auf dem Schwarzmarkt im Sudan ist die Währung im letzten Monat um fast 60 Prozent zerfallen. Allgemein ging man davon aus, dass die Regierung selbst auf dem Schwarzmarkt Dollar gekauft hat, um diese Entschädigung zu zahlen.

Es geht auch um politisches Interesse von Donald Trump im US-Präsidentschaftswahlkampf.

Das bedeutet aber auch, dass sich dadurch die Lebensqualität im Sudan rapide verschlechtert hat. Die monatliche Inflation beträgt 220 Prozent. Zudem fehlt es dem Sudan an Geld, um zum Beispiel Weizen und Benzin zu kaufen.

Die prekäre Situation könnte sich bessern, wenn die USA den Sudan von der Terrorliste nehmen. Dafür muss noch eine zweite Bedingung erfüllt sein: Der Sudan soll diplomatische Beziehungen zu Israel aufnehmen.

Dabei geht es auch um politisches Interesse von Donald Trump im US-Präsidentschaftswahlkampf. Es scheint aber so, dass die USA erst mal in Vorleistung gehen und den Sudan von der Terrorliste streichen. Erst dann sollen diplomatische Beziehungen zwischen Israel und dem Sudan aufgenommen werden.

Von der Terrorliste gestrichen zu werden, ist eine Grundbedingung, um den Sudan zu reformieren und wirtschaftliche Reformen voranzutreiben.

Sudans Premierminister Abdalla Hamdok hat zwar immer gesagt, dass diesen Entscheid keine Übergangsregierung, sondern eine demokratisch gewählte Regierung fällen soll. Allerdings scheint der Deal mit den USA so attraktiv zu sein, dass sie dennoch Beziehungen zu Israel aufnehmen werden. Das zumindest geht aus inoffiziellen Regierungsmitteilungen und Medienberichten hervor.

Sudans Premier Hamdok
Legende: Sudans Premier Hamdok setzte sich dafür ein, dass die Israel-Frage nicht mit derjenigen der Terrorliste verknüpft werden sollte – trotzdem könnte Sudan bald diplomatische Beziehungen mit Israel aufnehmen. Keystone

Was würde es wirtschaftlich für den Sudan bedeuten, wenn er von der Terrorliste gestrichen wird?

Es ist eine Grundbedingung, um den Sudan zu reformieren und wirtschaftliche Reformen voranzutreiben. Der Sudan könnte damit beginnen, seine Auslandschulden von 65 Milliarden Dollar umzustrukturieren und erlassen zu bekommen. Das würde ihm wiederum erlauben, Milliarden-Zuschüsse von internationalen Finanzinstitutionen zu erhalten. Zudem könnten bilaterale Geber dem Sudan Geld geben – und ohne Geld wird die derzeitige Übergangsperiode zur Demokratie scheitern.

Das Gespräch führte Manuel Ramirez.

SRF 4 News, 20.10.2020, 11:06 Uhr ; 

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