Ein neues Gesetz stellt in Bosnien-Herzegowina die Leugnung von Völkermord unter Strafe. Zuvor waren im Parlament jahrelang Versuche gescheitert, eine solche Regelung per Gesetz zu verankern – vor allem am Widerstand ethnisch serbischer Politiker.
Mehrjährige Haftstrafe für Völkermord-Leugner
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Gemäss dem neuen Gesetz wird die einfache Leugnung des Völkermords mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Ist der Täter eine Amtsperson, kommen drei Jahre Haft hinzu und weitere drei Jahre, wenn die Tat von Drohungen und Beleidigungen begleitet wird. Auch wer Preise und öffentliche Ehrungen an verurteilte Kriegsverbrecher verleiht, muss für drei Jahre in Haft.
Nach jahrelangem politischen Gezerre hat der Hohe Repräsentant mit dem Gesetz Fakten geschaffen. Die Funktion wurde im Friedensabkommen von Dayton (USA) eingerichtet, das den Bosnienkrieg beendete. Der Amtsträger soll den Wiederaufbau begleiten und unterstützen. Dazu kann er ins politische Geschehen eingreifen, Gesetze erlassen und aufheben sowie Politiker aus dem Amt entfernen.
Erlassen hat die Vorschrift der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina. Er vertritt die internationale Gemeinschaft im Land und wacht seit dem Ende des Krieges 1995 über die Einhaltung des Friedensvertrags.
Das Amt ist mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet, die der aktuelle Repräsentant Valentin Inzko aber kaum je genutzt hat. Ausser jetzt – kurz vor Ende seiner Amtszeit.
«Zum Mainstream geworden, den Völkermord von Srebrenica zu leugnen»
Im Juli 1995 hatten Polizei und serbische Paramilitärs in Srebrenica und Umgebung etwa 8000 bosnische Muslime getötet. Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien sowie der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ordneten das Massaker als Völkermord ein. Serbische Nationalisten im gesamten ehemaligen Jugoslawien leugnen dies immer wieder.
Das Amt wurde geschaffen, weil man die Probleme kommen sah, dass sich die zerstrittenen nationalistischen Politiker im Land gegenseitig blockieren und damit den Frieden gefährden würden.
Christoph Wüthrich, Auslandredaktor von Radio SRF und zuständig für den Westbalkan, sagt: «Unter der serbischen Bevölkerung in Bosnien und auch in Serbien ist es zum Mainstream geworden, den Völkermord von Srebrenica zu leugnen.» Der Tenor: Damals wurde zwar ein furchtbares Verbrechen verübt – aber kein Völkermord. «Und gleichzeitig werden die Verantwortlichen der Verbrechen verherrlicht.»
Amt des Hohen Repräsentanten im Kreuzfeuer der Kritik
Die Intervention des Hohen Repräsentanten führte zu heftigem Protest. Milorad Dodik, der mächtigste serbische Politiker in Bosnien, polterte am Wochenende: Der serbische Landesteil – die Republika Srpska – müsse sich nun erst recht loslösen. Inzwischen hat er seinen Ton etwas gemässigt und eine Petition gegen das Gesetz lanciert.
Ins Kreuzfeuer der Kritik ist vor allem der Hohe Repräsentant geraten, der ohne demokratische Legitimation agiert. «Das Amt wurde geschaffen, weil man die Probleme kommen sah, dass sich die zerstrittenen nationalistischen Politiker im Land gegenseitig blockieren und damit den Frieden gefährden würden», so Wüthrich.
Valentin Inzko agierte zurückhaltend
Die ersten Amtsträger hätten ihre Kompetenzen ausgiebig genutzt und einst etwa den Präsidenten des serbischen Landesteiles abgesetzt. Unter Inzko habe man aber fast vollständig auf solche Eingriffe verzichtet. Auslandredaktor Christoph Wüthrich: «Die westlichen Mächte waren der Ansicht, dass Bosnien, das theoretisch EU-Mitglied werden will, spätestens bei einem EU-Beitritt ohne Vormund auskommen muss.»
Die politische Blockade im Balkan-Staat habe aber gezeigt, dass der Versuch gescheitert sei: «Es werden keine Probleme gelöst, die Wirtschaft darbt, und alle Jungen, die etwas können, wollen das Land verlassen.» Doch Wüthrich warnt: Damit das Amt auch künftig Akzeptanz finde, dürften allfällige Interventionen nicht einseitig zulasten der serbischen Minderheit gehen.
Auch international ist die Funktion des Hohen Repräsentanten umstritten. Letzte Woche starteten China und Russland im UN-Sicherheitsrat einen Versuch, das Amt abzuschaffen. Russland sieht sich traditionell als Schutzmacht der Serben. «Ihm kommt eine Destabilisierung der Region gelegen, damit schwächt es nämlich die USA und die EU. Und es kann den geplanten Nato-Beitritt Bosniens bremsen oder sogar verhindern.»
Schutzlos in der Schutzzone
China seinerseits verfüge im Balkan über wachsenden wirtschaftlichen Einfluss und sei mit den korrupten Politikern bestens im Geschäft. «Peking hat kein Interesse daran, dass in Bosnien Transparenz-Regeln und Rechtsstaat eingeführt werden, wie sie die EU vorschreibt.»
Echo der Zeit, 27.07.2021, 18 Uhr
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agenturen/srf/imhm;fise
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