«Ich glaube nicht, dass Mädchen aus anderen Ländern unsere Situation verstehen können», sagt eine junge Afghanin. «Sie können studieren, Freunde treffen, reisen. All das bringt mich zum Träumen.» Die junge Frau redet anonym. Denn nur schon, dass eine Frau sich öffentlich äussert, ist in Afghanistan gefährlich. Um ihre Identität zu schützen, ist ihr Gesicht mit KI verfremdet.
In Afghanistan werden die Frauen und Mädchen immer mehr aus dem öffentlichen Leben verdrängt. Mädchen dürfen nicht zur Schule, Frauen weder studieren noch ohne eine männliche Begleitung unterwegs sein oder auf der Strasse ihre Stimme erheben. Bei Widerstand drohen Strafen.
Seltene Einsichten in ein verschlossenes Land
Unabhängig aus Afghanistan zu berichten, ist schwierig. Ein französisches Team erhielt ein Visum und Drehgenehmigungen, unter der Bedingung, über den Tourismus zu berichten. Das Team wird beispielsweise zu den von den Taliban gesprengten historischen Buddha-Statuen von Bamiyan geführt, deren Überreste nun zum Publikumsmagneten werden sollen. Die Besichtigung einer Teppichfabrik hingegen, wo auch Frauen arbeiten, wird im letzten Moment von den Taliban verboten.
«Die europäischen Medien sagen nicht die Wahrheit über unser Land. Die Frauen hier gehen einkaufen. Sie studieren, sie lehren, sie sind Ärztinnen. Es gibt viele, die arbeiten. Es ist toll hier», behauptet ein Taliban-Führer, der dem Journalisten-Team zu Seite gestellt wird.
Der Mut der Frauen
Doch das Journalisten-Team hat parallel recherchiert und mit zahlreichen Frauen online gesprochen. Sie erzählen, was im Land wirklich passiert.
Zum Beispiel eine 34-jährige Gynäkologin, die für ihren Kampf für die Frauenrechte einen hohen Preis bezahlt hat. Sie erzählt, wie sie verfolgt, ins Gefängnis gesteckt, geschlagen und vergewaltigt worden ist. Eine Vergewaltigung ist in Afghanistan eine Schande für die Familie des Opfers. Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis wird die Frau von ihrem Mann verstossen. Ihr gelingt die Flucht nach Pakistan.
Für die Frauen, die im Land bleiben, bedeutet das: Sie werden im öffentlichen Raum praktisch unsichtbar. Sie dürfen nur mit Verschleierung aus dem Haus und müssen von einem Mann begleitet werden. Die Sittenwächter, sogenannte Beamte des Ministerium «zur Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters», überwachen streng.
Zunahme von Zwangsheiraten
Ohne Schule, Studium, Arbeit bleibt vielen nur die frühe Heirat. In Afghanistan sind die Zwangsheiraten angestiegen. Bei minderjährigen Mädchen haben sie um ein Viertel zugenommen, seit sie von der Schule ausgeschlossen wurden. «Es ist sehr hart für ein Mädchen, das Träume für seine Zukunft hat, dass es sich nicht für etwas anderes als die Ehe entscheiden kann», sagt eine junge Afghanin.
Die Folgen sind verheerend: Tausende von Pflegefachfrauen, Hebammen oder Ärztinnen werden ihre Abschlüsse nicht machen können. Eine Katastrophe in einem Land, dessen Gesundheitssystem bereits angeschlagen ist.
Die junge Gynäkologin im Exil konnte mittlerweile ihre Kinder zu sich holen. Sie bereut ihren Widerstand nicht: «Der Kampf der Frauen hat dem Rest der Welt gezeigt, wofür das Taliban-Regime wirklich steht.»