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Tee ist out, Kaffee ist in Im Tee-Mekka Grossbritannien ist Kaffee König

Tee gilt als britisches Nationalgetränk. Doch das ändert sich gerade. Immer mehr Briten greifen zum Kaffee. Und das Geschäft damit boomt.

Espresso, Caffé Latte, Cappuccino, Cortado: Beim Bestellen ihres Lieblingsgetränks am Tresen eines Coffee Shops klingen viele Britinnen und Briten, als wären sie soeben von einem langen Italienaufenthalt zurückgekehrt. Ihre Aussprache ist lupenrein, als wäre die Kaffeekultur eine urbritische Tradition.

«Ist es auch», beteuert Kane Statton ganz selbstbewusst. Er steht hinter der Kaffeebar und bereitet einen «Single Origin Espresso» für einen Kunden zu. Der bald 30-Jährige ist «Head of Coffee» der schnell wachsenden Londoner Kaffeekette «Kiss the Hippo». Ein orangefarbenes Nilpferd prangt als Markenzeichen an der Kaffeemaschine – und verzückt auf den Sozialen Medien die Digital Natives: Ein britisch-humorvoller Markenname zieht besser als ein traditioneller Name.

Eine Barista bedient in einem Lokal von  «Kiss the Hippo» eine Kundin.
Legende: Trendig gestylte Kaffeelokale wie «Kiss the Hippo» gibt es zu Dutzenden in Londons Strassen. SRF

Kaffee habe in Grossbritannien eine jahrhundertealte Tradition und erfinde sich gerade neu, sagt Statton: «In der viktorianischen Zeit gab es viele Kaffeehäuser in London. Danach bekam der Tee Oberhand. Nun ändert sich dies wieder – nicht nur in London, im ganzen Königreich. Leute suchen den Koffeinschub.»

Dutzende neue Kaffeehäuser pro Jahr

«Kiss the Hippo» hat Anfang September das neunte Kaffeehaus in London eröffnet – an bester Lage, im Trendviertel Soho. «Noch in diesem Jahr werden wir das zehnte Café eröffnen», sagt Entwicklungsleiter Statton. Und im nächsten Jahr werden fünf weitere Filialen dazukommen, wenn alles rund laufe. Das Unternehmen wurde 2018 von zwei Brüdern gegründet und beschäftigt heute bereits knapp 60 Personen.

Noch schneller wächst die Kaffeekette «Blank Street Coffee». Sie entstand 2020 in New York und wagte vor zwei Jahren den Sprung über den Atlantik. Heute betreibt Blank Street Coffee in London bereits 32 Kaffeehäuser. Praktisch im Monatstakt kommen weitere dazu.

Kane Statton bereitet einen Filterkaffee zu.
Legende: Kaffeehausbetreiber Kane Statton (links) freut sich über den steigenden Kaffeedurst der Britinnen und Briten. SRF

Kaffee lasse sich in verschiedensten Formen zubereiten und geniessen, nennt Aidy Smith in der «Times» einen von vielen Gründen, warum Kaffee in Grossbritannien in kurzer Zeit beliebter geworden ist als Tee. «Die Tee-Kultur ist verstaubt. Kaffee ist viel reizvoller, kreativer. Ständig kommen neue Kreationen dazu – neue Geschmackskombinationen und Präsentationen», sagt Smith, der für seine Auftritte in der Amazon-Prime-Serie «The Three Drinkers» bekannt ist.

Gemäss der British Coffee Association trinken Britinnen und Briten heute rund 98 Millionen Tassen Kaffee pro Tag. Das sind knapp zwei Tassen täglich pro Kopf. Aufs Jahr hochgerechnet macht dies knapp 3 kg Kaffee. Das ist nicht einmal halb so viel, wie in Italien, Deutschland oder der Schweiz konsumiert werden. Der Branchenverband glaubt aber, dass der britische Kaffeemarkt in der nächsten Zeit kräftig wachsen wird.

Ein Kilo Kaffeebohnen für 200 Franken

Goldgräberstimmung verspüren auch die Kaffeebetreiber wie «Kiss the Hippo». Die Nilpferd-Kaffeebars sind in hellem Holz und edlem Stein gehalten. Ein Espresso kostet umgerechnet vier Franken, in der Hausmischung. Wer eine rare Kaffeesorte von einem bestimmten Produzenten geniessen möchte, bezahlt bis zu neun Franken – für ein Kännchen.

Die rare Sorte gibt es auch als Bohnen zu kaufen. Das 250-Gramm-Pack kostet umgerechnet 50 Franken. «Es gibt eine wachsende Gruppe von Kaffee-Enthusiasten – wie es sie auch beim Wein oder bei Grüntee gibt», sagt Kane Statton. «Sie sind bereit, für ein sehr spezielles Produkt viel Geld zu bezahlen.» Dem Kaffeeunternehmer solls recht sein.

Wer konsumiert wieviel Kaffee? Und wer am meisten?

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Espresso und Cappuccino bringen etwas Italianità in unseren Alltag. Unser südliches Nachbarland gilt gemeinhin als das Kaffee-Land. Doch weit gefehlt: Italienerinnen und Italiener konsumieren pro Jahr «nur» 5.5 kg Kaffee pro Kopf.

Damit schafft es Italien nicht einmal aufs Podest, sondern lediglich auf Platz 5 des Kaffeekonsum-Rankings der Europäischen Kaffee-Föderation (EFC).

Diese Länder konsumierten gemäss der EFC 2023 am meisten Kaffee:

  1. Finnland (10.5 kg pro Kopf)
  2. Schweden (9 kg pro Kopf)
  3. Dänemark (7.4 kg pro Kopf)
  4. Deutschland (6.2 kg pro Kopf)

Die Schweiz kommt im Ranking der EFC nicht vor. Gemäss einer Statistik von 2022 konsumierten Kaffeeliebhaberinnen und -Liebhaber hierzulande aber 4.4 kg pro Kopf.

10 vor 10, 17.12.24, 21:50 Uhr; kobt

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