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Tempo-30-Debatte Freiheit, Gleichheit – Tempo 30

Eine französische Stadt setzt flächendeckend auf Tempo 30. Die Limite gilt bereits für 90 Prozent des Strassennetzes. Die Bevölkerung steht geschlossen dahinter. Wie hat die Regierung das geschafft?

In der bretonischen Küstenstadt Lorient weht ständig ein frischer Wind vom Meer. Für frischen Wind sorgte auch Stadtrat Bruno Blanchard im Verkehrsdepartement. Seine Mission: auf dem ganzen Stadtgebiet Höchstgeschwindigkeit 30. «Es ist ein Modell für die Verkehrspolitik der Zukunft», sagt Bruno Blanchard.

Wir hatten so viele Verkehrstote, dass wir umdenken mussten.
Autor: Bruno Blanchard Vorsteher Verkehrsdepartement Lorient

Lorient war im Zweiten Weltkrieg einer der wichtigsten U-Boot-Stützpunkte der deutschen Kriegsmarine. Die Stadt wurde im Krieg dem Erdboden gleichgemacht. Beim Wiederaufbau setzte die Stadtregierung auf breite Strassen und Alleen.

Freie Fahrt für die Autos hiess für lange Zeit die Devise. «Wir hatten so viele Verkehrstote, dass wir umdenken mussten», sagt Blanchard. Das war der Beginn der Tempo-30-Politik. Heute gilt die Stadt als eine der sichersten Frankreichs.

Die Bevölkerung steht geschlossen hinter diesem Konzept. «Es ging rasch, bis sich die Bevölkerung daran gewöhnte», sagt Verkehrspolizist Mickael Seignard, «so wie beim Tragen der Sicherheitsgurte oder beim Rauchverbot im Restaurant.»

Schmale Strassen, dafür Velowege

In der ganzen Stadt gilt Rechtsvortritt, an allen grösseren Kreuzungen regeln Kreisel den Verkehr, Ampeln sind verschwunden, Hauptstrassen sind verschmälert und bieten Platz für Velowege und Parkplätze.

«Alle Parkplätze im Stadtgebiet sind gratis», sagt Stadtrat Blanchard. «So haben wir auch kritische Autofahrer ins Boot geholt.» Tatsächlich bleiben hier Einsprachen der Autoverbände aus.

Im Vordergrund stand nicht wie in der Schweiz die Lärmbekämpfung, sondern die Sicherheit: «Mit dem Rückgang der Unfallzahlen stieg in der Bevölkerung der Rückhalt für Tempo 30», so Blanchard.

Tempo 30 in der Schweiz auf dem Vormarsch

Box aufklappen Box zuklappen

In den grossen Schweizer Städten Zürich, Bern und Basel liegt der Anteil an Strassen mit Tempo-30-Limit bereits bei rund 50 Prozent. Tendenz steigend. Zusätzlichen Schub erhält Tempo 30 durch die eidgenössische Lärmschutzverordnung, die bis Ende März 2018 umgesetzt sein sollte. Tempo-Reduktion als Mittel zur Lärmreduktion. Dagegen wehren sich vor allem Autoverbände wie ACS und TCS mit Einsprachen.

Anteil Tempo 30 im städtischen Strassennetz :

Zürich: 49 Prozent

Basel: 56 Prozent

Bern: 55 Prozent

Quellen: Dienstabteilung Verkehr Zürich, Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Verkehrsplanung Bern.

Bei einer spontanen Umfrage im Zentrum Lorients bestätigt sich dies. Hervorgehoben werden der Sicherheitsaspekt und die steigende Lebensqualität.

Beflügelt vom Erfolg denkt Bruno Blanchard schon an den nächsten Schritt. «Tempo 20 in den Quartieren hat sich sehr bewährt», sagt der Stadtrat. «Es gibt es noch immer viele Strassen, bei denen selbst Tempo 30 zu schnell ist.»

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