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Terror in Neuseeland Ein Land im Schockzustand

«Wieso ausgerechnet bei uns?»: Rassismus sei in Neuseeland eigentlich absolut verpönt, sagt eine Journalistin vor Ort.

Terror in Down Under: Die Nachricht über das Blutbad sandte Schockwellen rund um den Globus. Im Land, das in unseren Breitengraden für seine spektakulären Landschaften und malerischen Städtchen berühmt ist, richtet ein Rechtsextremer ein Massaker an.

Dutzende muslimische Gläubige, darunter auch Kinder, wurden wahllos getötet. Manch einer dürfte sich gefragt haben: Wie ist das möglich? Und die Frage stellen sich auch die Menschen in Neuseeland selbst, berichtet die Journalistin Anke Richter: «Das Land befindet sich im emotionalen Ausnahmezustand, die Menschen sind geschockt.»

Anke Richter

Journalistin in Christchurch

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Seit 2003 berichtet Anke Richter aus Neuseeland, Polynesien und über die Antarktis. Ihre Reportagen und Berichte erschienen in diversen deutschsprachigen Medien, vom «Spiegel» über die «Zeit» bis zur ARD.

Nachdem Christchurch vor acht Jahren von einem verheerenden Erdbeben heimgesucht wurde, sei die Stadt nun mit der nächsten Katastrophe konfrontiert: «Die Leute fragen sich, warum wir, warum Christchurch?»

Das alles landet hier auf einem Boden, der überhaupt nicht fruchtbar ist.

Der mutmassliche Haupttäter untermalte den Livestream seiner Tat mit einem serbisch-nationalistischen Kampflied, das in anti-muslimischen Kreisen kursiert. Den Gewaltakt stellte der Australier in einem im Netz kursierenden Manifest in eine Reihe mit dem Massenmord des norwegischen Rechtsextremen Anders Breivik. Der selbsternannte «weisse Nationalist» bezeichnet seinen Terror als Rache für islamistische Anschläge in Europa.

«Das alles landet hier auf einem Boden, der überhaupt nicht fruchtbar ist», sagt Richter, die seit 2003 aus Neuseeland berichtet. Das Land kenne keine religiös oder ideologisch aufgepeitschten Debatten: «Rassismus ist hier sehr verpönt.» Wenn fremdenfeindliche Töne aufflackerten, richteten sich diese gegen Asiaten: «Muslime haben sich in Neuseeland immer sicher gefühlt und sind Teil der Gesellschaft.»

Importierter Hass?

Dies dürfte auch damit zu tun haben, dass das Land im Südpazifik das «Flüchtlingsproblem» der europäischen Debatte nicht kennt. Es gebe nur wenige Flüchtlinge aus den Krisenherden des Nahen Ostens, sagt Richter: «Und diejenigen, die ankommen, werden sehr gut integriert. Es gibt hervorragende Programme und sehr viel Hilfsbereitschaft.»

Diese Hilfsbereitschaft zeigt sich unmittelbar nach der Tat. Die Menschen sammeln Spenden für die Opfer und ihre Hinterbliebenen. Und die Bürgermeisterin von Christchurch rief die Menschen dazu auf, Menschen anderer Ethnien und Religionen nicht auszugrenzen.

Es scheint, als ob bewusst von aussen etwas in dieses Land hineingetragen wurde – gerade, weil es so ein heiler Ort ist.

Die Bluttat habe vor einem gänzlich anderen Hintergrund als in Europa stattgefunden, so Richter: «Das macht sie nur noch perfider.» Dem Täter war dies offenbar bewusst: Er habe Neuseeland für seine Tat gewählt, weil nicht einmal der abgeschiedene Inselstaat vor «Massenimmigration» gefeit sei, schreibt er in seinem Manifest.

Karte SRF
Legende: Christchurch zählt 350'000 Einwohner und liegt auf der Südinsel des Pazifikstaats Neuseeland. SRF

Dass die Tat den Hass in Neuseeland schüren konnte, glaubt die Journalistin nicht. Es könne überhaupt nicht die Rede davon sein, dass ein Funke von Europa nach Neuseeland übergesprungen sei: «Es scheint, als ob bewusst von aussen etwas in dieses Land hineingetragen wurde – gerade, weil es so ein heiler Ort ist.»

Dass die Tat den Hass etwas an der Offenheit und Toleranz der Neuseeländer ändern könnte, schliesst die Journalistin aus: «Es zeichnet sich eine unglaubliche Hilfsbereitschaft im Land ab.»

Christchurch im Ausnahmezustand

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