- Die Sicherheitsbehörden testen am Berliner Bahnhof Südkreuz eine neue Software. Diese soll die Fahndung nach Terrorverdächtigen erleichtern.
- 300 Personen haben sich zu Testzwecken von der Polizei fotografieren und registrieren lassen, damit die Behörden die neue Software testen können.
- Datenschützer laufen gegen den Testlauf Sturm.
Achtzehn Sekunden lang dauert die Fahrt auf der Rolltreppe in der Haupthalle des Bahnhofs Südkreuz in Berlin. Tausende Passagiere nutzen diese Rolltreppe täglich. Seit Anfang August werden die Passanten in der Bahnhofshalle nicht mehr nur überwacht wie bisher: Drei Kameras gehen ganz nah ran an ihre Gesichter und scannen sie.
Eine Software gleicht sekundenschnell ab, ob es sich um das Gesicht einer polizeibekannten Person handelt. Dadurch erhofft sich die Polizei schnelle Fahndungserfolge und Hinweise über den Aufenthalt von Terroristen, Gefährdern oder anderen polizeilich registrierten Personen.
300 Personen, die häufig am Bahnhof Südkreuz verkehren, haben sich zu Testzwecken von der Polizei fotografieren und registrieren lassen, damit die Behörden die neue Software testen können.
Der Testlauf hat heftige Reaktionen bei Datenschützern ausgelöst. Die digitale Gesichtserkennung sei ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre. Die Aktion Freiheit hat zu Protesten am Bahnhof aufgerufen. Ihrer Ansicht nach kann der Test dazu führen, dass nicht nur nach Terroristen, sondern auch nach Anderen gefahndet wird – Schwarzfahrern, Sprayern, Obdachlosen oder Bettlern etwa.
Niemand könne der biometrischen Erfassung entgehen ohne auf seine Bewegungsfreiheit zu verzichten, kritisiert die Aktion. Zudem fehle jegliche Zweckbindung der erhobenen Daten.
Auch der deutsche Anwaltsverband übt Kritik am Pilotprojekt in Berlin. Die Behörden hätten den Test ohne genaue Prüfung der Rechtmässigkeit gestartet. «Zuerst sind die rechtlichen Voraussetzungen zu klären. Wir haben verfassungsrechtliche Vorgaben. Im Moment steht die technische Realisierbarkeit im Vordergrund und das ist nicht der richtige Weg», so Ulrich Schellenberg vom Deutschen Anwaltsverein gegenüber SRF.
Zuerst sind die rechtlichen Voraussetzungen zu klären. Wir haben verfassungsrechtliche Vorgaben.
Trotz Bedenken und Kritik wollen Polizei und Bundesinnenministerium den Test am Berliner Südkreuz während der nächsten sechs Monate weiterführen. Die Daten aus dem Test sollen nach einem Jahr gelöscht werden. An verschiedenen Orten weist die Polizei auf die gesichtsnahe Überwachung hin. Gleichzeitig gibt es am Bahnhof gekennzeichnete Orte, an denen keine Gesichter gescannt werden, damit die aufmerksamen Passanten einem Gesichtsscan entgehen können.
Ende August will der deutsche Innenminister Thomas de Maizière erste Resultate des Tests präsentieren. So oder so löst dieser Testlauf eine neue Debatte aus – darüber, wie nahe der Staat zum Schutz der Allgemeinheit an den einzelnen Bürger herantreten darf.