- Hafiz Saeed gilt als der Drahtzieher der Terrorattacke in Mumbai von 2008. Bei einem Angriff auf ein dortiges Nobelhotel kamen 166 Menschen ums Leben.
- Die USA hatten ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt. Seit Anfang Jahr stand Saeed unter Hausarrest. Neuerdings ist er wieder auf freiem Fuss.
- Der Grund: Die Beweise gegen ihn konnten nicht erhärtet werden, so das Gericht in Lahore. Hafiz Saeed plant nun ein Comeback mit seiner Partei in Pakistan.
Muhammad Tabish Abdul Qayum grüsst, wie man im Westen grüsst, mit Händedruck, und nicht – wie in Pakistan üblich – mit dem Wort Salaam. Der 30-Jährige trägt auch einen westlichen Anzug und spricht perfekt Englisch.
Die Milli Muslim League ist die Partei des armen Mannes.
Den Sprecher einer Partei mit mutmasslich islamistisch-radikalem Hintergrund stellt man sich anders vor. Nur sein struppiger Bart passt zum Klischee. Radikal sei die Milli Muslim League keineswegs. «Sie ist die Partei des armen Mannes.»
Parteisprecher beteuert Unabhängigkeit
Qayum weiss, was er westlichen Medien sagen muss. Ein Bekenntnis zum Radikalismus gehört bestimmt nicht dazu. So verneint er auch Verbindungen der Partei zur militanten Gruppierung Lashkar-e-Taiba, als deren Kopf Hafiz Saeed gilt, und die auf der UNO-Terrorliste steht. Westliche Medien würden verzerrt über die Milli Muslim League berichten. Sie sei eine vollständig unabhängige Partei, ohne jegliche Verbindung zu militanten Gruppen, sagt Sprecher Qayum.
Dies zu glauben, fällt schwer. Denn bei Parteiveranstaltungen werden Fahnen mit Hafiz Saeeds Abbild geschwenkt. Er sei lediglich eine Inspiration für die Partei, sagt der Parteisprecher weiter. Einfluss auf die Parteientscheide habe er nicht.
Sympathie in der Bevölkerung wächst
Das sehen Beobachter anders. Etwa die Journalistin Marvi Sirmed. Sie schreibt aus Islamabad für die pakistanische Zeitung «Daily Times»: «Qayum lügt, wenn er sagt, die Partei mache nicht, was Saeed befehle.» Die Milli Muslim League sei der politische Arm von Saeeds Lashkar-e-Taiba-Organisation, ist sie überzeugt.
Diese Terrormiliz wurde in Pakistan zwar formell verboten, operiert aber unter dem Deckmantel der Milli Muslim League oder der Hilforganisation Jamat-ud-Dawa weiter. Diese betreibt private Ambulanzen und geniesst seit dem verheerenden Erdbeben von 2005 viel Sympathie in der Bevölkerung.
Pakistan macht einen klaren Unterschied zwischen guten und schlechten Extremisten.
Beliebt ist Hafiz Saeed aber nicht nur deswegen. Seine Lashkar-e-Taiba-Truppen führen im indischen Teil Kaschmirs Guerillaattacken durch. Aus Sicht vieler Pakistaner seien die Milizen eine Art Freiheitskämpfer. Quasi die «Che Guevaras Kaschmirs», erklärt die Journalistin: «Pakistan macht einen klaren Unterschied zwischen guten und schlechten Extremisten.» Die schlechten operierten innerhalb des Landes, die guten ausserhalb; in Afghanistan oder Indien, dem Erzfeind.
Saeed wurde vom pakistanischen Geheimdienst aufgebaut, um in Kaschmir Operationen durchzuführen. Für Pakistan ein legitimer Kampf. Deshalb könne der Staat nicht gegen Saeeds Organisation vorgehen, erklärt Saifullah Khan Mahsud, Direktor des pakistanischen Fata Research Centers, einem unabhängigen Think Tank: «Sie können nicht den Schöpfer belohnen, aber die Kreation töten.»
Das würde zu sozialen Unruhen führen, sagt Mahsud. Während Pakistan militärisch gegen Netzwerke vorgeht, die im Landesinneren operieren, versucht die Regierung diejenigen, die im Ausland aktiv sind, politisch einzubinden. Das erkläre auch die Zulassung der Milli Muslim League, so der Analyst weiter.
Sie können nicht den Schöpfer belohnen, aber die Kreation töten. Das führt zu sozialen Unruhen.
Diese Milizen sollen zwar ins politische Leben eingebunden werden. Ihre Waffen müssen sie aber nicht abgeben, wie Marvi Sirmed sagt. Sie befürchtet eine Radikalisierung der Gesellschaft. Denn mit dem Einbezug der Milizen würden deren Ideologien salonfähig. Und das sei gefährlich, sagt die Journalistin.
Skepsis bei der pakistanischen Wahlkommission
Marvi Sirmed ist überzeugt, dass Hafiz Saeed die Milli Muslim League als Plattform braucht, um seine radikale Ideologie unters Volk zu bringen. Das scheint auch die Wahlkommission zu befürchten. Sie erlaubt der Milli Muslim League bislang nicht, an den Wahlen teilnehmen, die nächstes Jahr stattfinden sollen.
Muhammad Tabish Abdul Qayum, der gewiefte Sprecher der Milli Muslim League, wischt diese Befürchtungen vom Tisch. Seine Partei verurteile jede Form von Gewalt gegen Zivilisten im In- und Ausland. Dabei ist nicht interessant, was er sagt, sondern was er nicht sagt. Attacken gegen fremde Armeen oder Sicherheitskräfte verurteilt er nicht. Nämlich jene, die Lashkar-e-Taiba und deren Übervater Hafiz Saeed nach wie vor im indischen Teil Kaschmirs durchführen.