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Terroristin gefasst Wie die RAF Deutschland verwundete – und Verhaftungen nun heilen

Als es mit dem Terror vorbei war, ging den RAF-Leuten das Geld aus. 1998 löste sich die «Rote Armee Fraktion» offiziell auf – doch viele ehemalige Mitglieder waren noch auf der Flucht, untergetaucht, mit falschen Pässen irgendwo unterwegs.

Die Ex-Terroristen wurden zu ganz gewöhnlichen Verbrechern, raubten Geldtransporter aus, begingen Überfälle und Diebstähle aller Art. Eine der Terroristinnen war Daniela Klette. 30 Jahre lang versteckte sie sich – bis sie jetzt in Berlin gefasst wurde.

Ausgerechnet Berlin

Sebastianstrasse 73, ein typisches Berliner Viertel – auf der einen Seite schicke Neubauten, auf der anderen Seite triste Betonblöcke. Latte Macchiato und Dosenbier, nur ein paar Meter auseinander. Munition wurde bei Klette gefunden – und ein italienischer Pass. Nicht echt natürlich.

Ausgerechnet Berlin. Hier begann 1970 der Terror unter dem Namen «RAF». In Dahlem floh der Vietnam-Aktivist und Brandstifter Andreas Baader mit Komplizinnen und Komplizen vor der Polizei – es gab einen ersten Verletzten. «Mordversuch» stand später auf den ersten Fahndungsplakaten, welche die 70er Jahre in Deutschland prägten und vom Grauen und Schrecken der RAF zeugten.

Ulrike Meinhof war dabei, später kamen Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Namen, welche untrennbar mit der Blutspur der «RAF» verbunden sind. Mordanschläge auf Industrielle, auf Banker – insgesamt starben 54 Menschen, Opfer und Täter eingerechnet. Es gab fast 250 Verletzte und Schäden in Millionenhöhe.

Auch Todesstrafe wurde zum Thema

Der Terror veränderte die Gesellschaft, polarisierte, der Rechtsstaat kam an seine Grenzen. Sogar Rufe nach der Wiedereinführung der Todesstrafe wurden laut. Mit Baader, Ensslin und Raspe brachte sich die Spitze der ersten «RAF»-Generation im Stuttgarter Gefängnis Stammheim um – es folgte eine nächste Generation, der Terror ging weiter.

Die jetzt verhaftete Daniela Klette gehörte zur dritten Generation – mutmasslich beteiligt an der Sprengung eines Gefängnisses in Weiterstadt – dem letzten grossen Anschlag der «RAF». 1993 war das, vor 31 Jahren. Es gab keine Toten, die Terroristen brachten an ihrem VW-Bus sogar eine Warnung an: «Knastsprengung in Kürze. Sofort Wegrennen.»

Die «RAF» hat Deutschland verändert, verwundet für immer. Entsprechend hoch blieb der Fahndungsdruck. Vor ein paar Tagen berichtete die Fahndungs-Sendung «Aktenzeichen XY… Ungelöst» über die flüchtigen «RAF»-Terroristen – über 250 Hinweise gingen ein. Zur Verhaftung soll aber ein früherer Hinweis aus der Bevölkerung geführt haben.

Noch ist die Jagd nicht zu Ende

Jede Festnahme hilft Deutschland ein bisschen, die Wunden zu heilen und abzuschliessen mit einem Jahrzehnt der brutalen Gewalt, mit dem Terror mitten in der Gesellschaft. An Grausamkeit war die «RAF» kaum zu überbieten, nichts mehr war heilig. Die «RAF»-Leute schreckten nicht einmal davor zurück, Mitglieder der eigenen Familie zu entführen, zu töten – wie im Fall des Dresdner-Bank-Chefs Jürgen Ponto, der im Juli 1977 ums Leben kam, ermordet von der «RAF».

Noch ist die Jagd nicht zu Ende, es gibt weitere «RAF»-Leute auf der Flucht. Noch immer gejagt, noch immer verachtet. Und sie wissen seit der Verhaftung von Daniela Klette: Sie sind nicht sicher, nicht vergessen. Die Fahndung läuft.

Stefan Reinhart

Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten

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Stefan Reinhart ist Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten und Chef vom Dienst im Newsroom Zürich. Zuvor war er Deutschland-Korrespondent für SRF.

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SRF 4 News, 27.2.2024, 12:00 Uhr; flus

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