Russlands bekanntester Filme- und Theatermacher Kirill Serebrennikow muss nicht ins Gefängnis. Trotzdem ist seine Verurteilung zu rund 10’000 Schweizer Franken und drei Jahren Haft auf Bewährung ein Schlag gegen die liberale Kunstszene.
Das heute verkündete Urteil löste unter seinen Anhängern vor Gericht Freudenjubel aus. Zuletzt wurde befürchtet, dass der Regisseur die nächsten Jahre hinter Gittern verbringen müsste, nachdem die Staatsanwaltschaft sechs Jahre Lagerhaft für ihn gefordert hatte.
Die Erleichterung unter Serebrennikows Unterstützern ist verständlich, doch angesichts des mehrjährigen Verfahrens und dem Schuldspruch bleibt ein fahler Nachgeschmack.
Willkür mit System
Das Gericht liess verkünden, dass Serebrennikows Schuld und die seiner Mitangeklagten ausreichend bewiesen sei. Dabei musste der Fall im vergangenen Jahr an die Untersuchungsbehörden zurückgewiesen werden, als sich die Vorwürfe schlicht nicht länger aufrecht erhalten liessen. Den Angeklagten war vorgeworfen worden, sie hätten staatliche Gelder für Theateraufführungen in die eigenen Taschen gesteckt, die gar nie stattgefunden hätten. Obwohl es für die Aufführungen Beweise gab.
Dass das Verfahren vor Gericht überhaupt wieder aufgenommen wurde und nun in einem Schuldspruch endete, zeigt: Es gab ein politisches Motiv, es sollte am Starregisseur ein Exempel statuiert werden.
Kulturszene im Dilemma
Als Serebrennikow das Gericht am frühen Abend durch den Seitenausgang verliess, rief er die Menge auf, für die Wahrheit zu kämpfen. Es war weit mehr als trotziger Triumph. Es war ein Appell an die liberale Kunstszene, in zunehmend schwierigen Zeiten standhaft zu bleiben.
Die Moskauer Theaterszene steckt in einem unlösbaren Dilemma. Mit der Ausnahme eines Nischentheaters gibt es keine Insitution, die nicht von staatlichen Fördergeldern abhängig wäre. Jedem, dessen Kunst einflussreichen Kreisen aus politischen Gründen nicht gefällt, kann unter dem Vorwurf der unsauberen Buchhaltung der Prozess gemacht werden.