2021 schiesst der Schauspieler Alec Baldwin für eine Filmszene des Westerns «Rust» – und trifft eine Kamerafrau tödlich. Die Waffe war fälschlicherweise mit echten Patronen geladen. Nun wurde die Waffenmeisterin wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen. SRF-Filmredaktor Michael Sennhauser erklärt, warum echte Schusswaffen an Filmsets genutzt werden und was der Fall für Hollywood bedeutet.
Wie wird in den USA mit Schusswaffen an Filmsets umgegangen?
Der Western ist das ureigene Filmgenre der Amerikaner: Es gibt eine über hundertjährige Tradition im Umgang mit Schusswaffen. Traditionell wurden echte Waffen mit Platzpatronen eingesetzt, damit es auch knallt auf dem Set. Am anderen Ende wird mit kleinen Sprengladungen gearbeitet, damit man Einschusslöcher und kleine Explosionen sieht. In den letzten Jahren wurde elektronisch statt mechanisch gezündet. Aber Schusswaffen und Platzpatronen kommen immer noch zum Einsatz.
Warum werden heute noch echte Schusswaffen bevorzugt?
Es wirkt echter auf dem Set, auch für die Schauspielerinnen. Sie haben das richtige Gewicht in der Hand, ziehen den Revolver mit dem richtigen Tempo. Auch ist für die anderen Schauspieler beim Knall der Platzpatronen gleich klar, wann der Schuss gefallen ist. Es hilft also für die Reaktionen. Gleichzeitig ist die Synchronität gewährleistet, etwa mit dem Ton.
Wofür ist der Waffenmeister oder die Waffenmeisterin am Filmset verantwortlich?
Sie sorgen dafür, dass die Waffen nicht scharf sind und überwachen, wer welche Waffe wann ausgehändigt bekommt. Die Waffenmeister verwalten auch den Tresor, in dem die Waffen eingeschlossen werden. Wenn mit Platzpatronen gearbeitet wird, wird der Lauf noch einmal untersucht. Denn auch Platzpatronen sind nicht ohne: Es gab schon Todesfälle, weil die Platzpatrone etwas aus dem Lauf gejagt hat, das darin steckte, etwa ein kleines Holzstück.
Gibt es Situationen, in denen echte Patronen an Filmsets zum Einsatz kommen?
Echte Waffen auf jeden Fall: Sie haben das richtige Gewicht, fühlen sich auch entsprechend an und benehmen sich echt. Echte Munition, also scharfe Munition, grundsätzlich nicht. Das Problem ist: Die einfachste Art, eine nicht scharfe Patrone herzustellen, besteht darin, dass man das Geschoss herausnimmt, das Pulver ausschüttet und das Geschoss wieder einsetzt. Darum sehen diese Patronen genau gleich aus wie die echten.
Wie kann scharfe Munition überhaupt an ein Filmset gelangen?
In der amerikanischen Kultur, wo Waffen allgegenwärtig sind, ist es möglich, dass irgendjemand noch Munition in der Tasche hatte und dass die Patronen irgendwo herumliegen. Wenn die Waffenmeisterin oder der Waffenmeister nicht alles drei- oder vierfach kontrolliert, ist es nicht vollkommen ausgeschlossen, dass so etwas passiert.
Hat der tödliche Schuss in Hollywood eine Debatte über den Umgang mit Waffen ausgelöst?
Das ist nur schon versicherungstechnisch notwendig: Die meisten Versicherungen decken zwar Unfälle ab, aber beinhalten Klauseln, was abgedeckt wird und was nicht. Diese Art von Fahrlässigkeit lässt sich wohl nicht mehr einfach so versichern. Zumal man mittlerweile mit künstlichen Waffen arbeiten kann, die gar nicht schussfähig sind. Auch kann man in der Postproduktion all die Effekte einfügen. Das ist zwar aufwendiger und wirkt nicht so realistisch für die Schauspielerinnen, dafür ist es ungefährlich.