Es stand Aussage gegen Aussage: Die deutsche Seite behauptete stets, dass es keine zwingende Verbindung gegeben habe zwischen der Freigabe der Leopard-2-Panzer Ende Januar und der gleichzeitigen amerikanischen Zusage für die Lieferung von 31 Abrams-Panzern an die Ukraine.
Bis dann Anfang Woche der Nationale Sicherheitsberater Bidens, Jake Sullivan, vor die Kameras des Fernsehsenders ABC trat und sagte: «Die Deutschen haben dem Präsidenten gesagt, dass sie nicht bereit seien, Leoparden freizugeben, bis der Präsident bereit wäre, Abrams zu schicken.»
Deutliches Zeichen der USA an Deutschland
Sullivan blinzelte nicht einmal bei seiner Ausführung: «Also hat der Präsident im Interesse der Allianz entschieden: okay, ich gehe voran als der Anführer der freien Welt. Auch wenn die Abrams nicht das sind, was die Ukraine jetzt braucht, so schicke ich sie, wenn ihr jetzt eure Leos freigebt!» Sullivan sagte dies kaum leichtfertig. Bevor er antwortete, schob er nämlich ein: «Es freut mich, dass Sie mich dies fragen.»
«Biden hat ein Zeitfenster zwischen jetzt und spätestens November 2024», sagt der Politologe Jackson Janes beim German Marshall Fund in Washington. Er kennt sowohl die deutsche als auch die amerikanische Politik in- und auswendig. «Im kommenden Präsidentschaftswahlkampf wird die Ukraine-Hilfe ein Hauptthema sein. Also wird Biden Erfolge vorweisen müssen. Falls nicht, wird es für ihn schwierig, die amerikanische Öffentlichkeit von seiner Ukraine-Politik zu überzeugen.»
Kürzlich zeigte zum ersten Mal seit Beginn des Krieges eine der in den USA so wichtigen Meinungsumfragen eine negative Zustimmung zu Bidens Ukraine-Politik. Im Repräsentantenhaus erhöhen die Republikaner den politischen Druck. Deshalb kommt der Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz im Weissen Haus zu einem für Biden wichtigen Zeitpunkt: «Biden braucht die Zusicherung von Scholz, dass Deutschland und Europa dranbleiben und dass sie die Last mittragen.»
Gleichzeitig, sagt Jackson Janes, sei die Abhängigkeit gegenseitig: «Scholz seinerseits braucht einen Biden, der sagt: Wir werden uns nicht abwenden. Bei diesem Treffen geht es nicht nur um klare Zeichen an die Russen und an die Ukraine, sondern auch an das eigene Publikum.» Biden könne teilweise verstehen, dass Scholz sein eigenes Publikum erst dahin bringen müsse. «Stück für Stück, teilweise schmerzhaft langsam. Ja, es passiert. Aber es braucht einfach viel Zeit.»
USA wollen China nicht ausser Acht lassen
Zeit, die weder die Ukraine auf dem Schlachtfeld noch Biden innenpolitisch haben. Deshalb erwartet Biden von Deutschland, dass es seine Führungsrolle in Europa stärker wahrnimmt und das auch öffentlich so sagt. Damit er wiederum dies der amerikanischen Öffentlichkeit vorzeigen kann. Und vor allen Dingen: damit sich die USA endlich dahin wenden können, wo sie die noch viel grössere Herausforderung aufziehen sehen: China.
«Biden wird Scholz hinter verschlossenen Türen vermutlich in etwa sagen: Bundeskanzler, Sie müssen vorangehen, Europa muss handelsfähig werden. Die USA helfen, soweit wir können. Aber Sie wissen voll und ganz, dass wir auf der anderen Seite des Globus ein weiteres Problem haben.»
Politologe Jackson Janes zuckt mit den Schultern. «Am Ende hofft Biden ganz grundsätzlich, dass die Europäer mehr von der Belastung schultern. Denn lösen können wir diese Herausforderungen nur gemeinsam.»