Zum Inhalt springen

Treffen in Brüssel Kosovo und Serbien sprachen immerhin miteinander

Das Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo ist schwierig und angespannt. Jetzt trafen sich beide Seiten in Brüssel zu Gesprächen – allerdings ohne Ergebnisse. Die Hintergründe kennt SRF-Auslandredaktor Janis Fahrländer.

Janis Fahrländer

Auslandredaktor Radio SRF

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Janis Fahrländer ist Redaktor in der Auslandredaktion von Radio SRF. Dort ist er zuständig für die Berichterstattung über die Balkanstaaten.

Welches Ziel hatte das Treffen in Brüssel?

In erster Linie sollten beide Seiten nach monatelanger Stille wieder miteinander ins Gespräch kommen. Es sollten die Gespräche zur Umsetzung des Normalisierungsabkommens, auf das sich beide Seiten in diesem Jahr mündlich geeinigt hatten, wieder aufgenommen werden. Doch da bewegte sich nichts. Daneben dürfte die weiterhin angespannte Situation im Norden Kosovos Teil der Gespräche gewesen sein.

Borrell: War unmöglich Differenzen zu überbrücken

Box aufklappen Box zuklappen
Borrell und Kurti vor EU-Flaggen.
Legende: Josep Borrell von der EU (lnks) empfängt den kosovarischen Regierungschef Albin Kurti. Keystone/Virginia Mayo

Nach den Gesprächen warf der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell Kosovo vor, eine Normalisierung der Beziehungen zu Serbien zu verhindern. «Es war heute nicht möglich, die Differenzen zu überbrücken», sagte Borrell. Kurti sei nicht bereit, Gemeinden mit serbischer Bevölkerungsmehrheit einen Dachverband und mehr Autonomie zu gewähren.

Kurti habe darauf bestanden, dass vor der Gewährung von mehr Autonomie für die serbischen Gemeinden Serbien den Kosovo anerkennen müsse, sagte Borrell. Er habe Kurti und Vucic vorgeschlagen, beide Schritte – die Gründung eines Gemeindeverbands und die Anerkennung des Kosovo – parallel zu verwirklichen. Vucic habe den Vorschlag akzeptiert, Kurti habe ihn jedoch abgelehnt. Kurti warf der EU Parteilichkeit vor. Sie habe sich die Position Serbiens zu eigen gemacht. Vucic forderte, die Gespräche müssten fortgesetzt werden.

Die Probleme zwischen Belgrad und Pristina betreffen vor allem den Norden Kosovos, wo eine serbische Minderheit lebt. Im Frühjahr kam es dort zu gewaltsamen Ausschreitungen, die sich an umstrittenen Wahlen von Gemeindebehörden entzündet hatten. Deshalb wurde das Normalisierungsabkommen der beiden Länder auf Eis gelegt. (reuters)

Wie gross ist die Bereitschaft der beiden Parteien, die Situation zu entspannen?

Die scheint eher tief zu sein – so haben sich beide Seiten im Vorfeld des Treffens mit Vorwürfen eingedeckt. Dazu kommt, dass sowohl Vucic wie Kurti vom derzeitigen Status quo profitieren. Vucic benützt den Konflikt mit Kosovo immer wieder, um im eigenen Land von Problemen abzulenken. Auch gegenüber dem Westen nutzt er die Situation als Druckmittel. Ihm ist also nicht viel an einer dauerhaften Lösung gelegen.

Kurti profitiert davon, dass derzeit der Fokus auf Deeskalation liegt und niemand vom Normalisierungsabkommen spricht. Darin hat sich Kosovo schon vor Jahren dazu verpflichtet, der serbischen Minderheit mehr Autonomie in Form eines Gemeindeverbandes zuzugestehen. Doch Kurti selber hat dies in seiner Zeit als Oppositionsführer Gemeindeverband immer bekämpft und dürfte daher froh sein, die Zusage nicht umsetzen zu müssen.

Was könnte helfen, die Lage zu beruhigen?

Die derzeitigen Spannungen im Norden wurden durch vier neue, umstrittene Bürgermeister ausgelöst. Denn die albanisch-stämmigen Politiker besitzen wegen eines Wahlboykotts der serbischen Bevölkerung kaum demokratische Legitimität. Alle Seiten sind sich eigentlich einig, dass es in den betreffenden Gemeinden Neuwahlen braucht. Doch während Serbien, aber auch der Westen, auf möglichst baldige Neuwahlen bestehen, sagt Kosovo, Neuwahlen könnten nicht einfach so ausgerufen werden. Und: Ohne eine dauerhafte Normalisierung zwischen Kosovo und Serbien dürfte es auch nach erfolgreichen Neuwahlen nicht lange dauern, bis sich der Konflikt an einem anderen Gegenstand erneut zuspitzt.

Kann die EU auf Belgrad und Pristina Druck ausüben?

Nicht wirklich. Die EU vermittelt zwar zwischen beiden Seiten, hat aber kaum Möglichkeiten, die Umsetzung von Vereinbarungen durchzusetzen. Sie kann keinem der Länder mit negativen Konsequenzen im Beitrittsprozess drohen. Keines der Länder hat auf absehbare Zeit eine EU-Beitrittsperspektive, und das ist allen Beteiligten klar. Wenn überhaupt, kann die EU auf Kosovo Druck ausüben – sie tut das, indem sie Gelder eingefroren hat.

Serbien dagegen spielt gegenüber dem Westen immer wieder mit seiner Nähe zu China und Russland – und ringt so Zugeständnisse ab. Viele sehen deshalb das Normalisierungsabkommen am Ende und fordern einen erneuten Neuanfang. Ein solcher macht aber nur Sinn, wenn beide Seiten die ehrliche Bereitschaft zeigen, bestehende Abmachungen auch wirklich umzusetzen und Kompromisse einzugehen – eine solche fehlt derzeit aber.

Rendez-vous, 14.9.2023, 12:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel