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Treffen in Davos Was bringen Friedensgespräche den jeweiligen Kriegsparteien?

In der Schweiz soll es im Januar zu Friedensgesprächen zwischen der Ukraine und Russland kommen. Dies verkündete der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski und das bestätigte später auch das EDA. Es ist nicht das erste Friedenstreffen, welches Selenski initiierte. Was Friedensgespräche überhaupt bewirken können, ordnet Andreas Heinemann-Grüder, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bonn, ein.

Andreas Heinemann-Grüder

Professor für Politikwissenschaft

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Andreas Heinemann-Grüder ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bonn, in Deutschland. Seine Forschungsschwerpunkte sind Politik und Konflikte im postsowjetischen Raum, vergleichender Föderalismus, das Wiederaufleben des Autoritarismus und gewaltsame politische Krisen mit irregulären bewaffneten Gruppen.

SRF News: Was bewirken Friedensgespräche überhaupt?

Andreas Heinemann-Grüder: Also diese Gespräche, die auch am 14. Januar stattfinden, würde ich nicht als Friedensgespräche bezeichnen. Denn die Russen nehmen selber nicht daran teil. Es geht viel mehr darum, dass die Unterstützer der Ukraine zusammenhalten, dass weiterhin die Sanktionsfront aufrechterhalten wird und vielleicht die Schweiz auch im Verhältnis zu anderen eine mögliche Vermittlerrolle spielen kann.

Was ist denn das für eine Rolle, die die Schweiz beim Treffen in Davos spielen könnte?

Die Schweiz hat in den Jahren 2014 und 2015 schon bei dem ersten gewaltsamen Konflikt um den Donbass und um die Krim eine konstruktive Rolle gespielt, weil sie damals diese OSZE-Beobachtermission aufgebaut und massgeblich geleitet hat.

Bevor Verhandlungen auch mit der russischen Seite gestartet werden könnten, muss man sich über die Ausgangsposition verständigen.

Die Schweiz hat Zugänge zu beiden konfliktbeteiligten Seiten. Sie geniesst Vertrauen und hat keine eigenen Interessen. Im Gegensatz zur Türkei oder Brasilien. Letztlich geht es darum, dass wir auf der Suche nach einem potenziellen Vermittler sind. Denn das nächste Jahr wird sehr entscheidend sein.

Treffen dieser Art gab es in den letzten Monaten schon ein paar Mal. Russland war jeweils nicht dabei. Wie können unter dieser Voraussetzung solche Friedenstreffen überhaupt erfolgreich sein?

Im Moment geht es erst mal darum, dass man die Agenda bestimmt. Worüber muss eigentlich geredet werden und was wären rote Linien? Das heisst, was ist verhandelbar und was nicht? Zudem ist bis heute nicht deutlich, wie weit die internationale Gemeinschaft die Ukraine bei ihren Maximalvorstellungen unterstützen würde.

Bevor Verhandlungen auch mit der russischen Seite gestartet werden könnten, muss man sich über die Ausgangsposition verständigen. Die Ukraine ist nur in einer starken Verhandlungsposition, wenn sie mehrere Staaten hinter sich hat. Das ist meines Erachtens der Zweck der Übung, die Ausgangspositionen zu fixieren, mit denen man auf die Russen zugeht.

Ein ukrainisches Plakat auf dem steht «Stop war».
Legende: Seit 22 Monaten herrscht Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Ein Ende ist bis jetzt noch nicht in Sicht. Keystone/ Isaac Esquivel

Ab wann wäre ein solches Friedenstreffen ein Erfolg für die Ukraine und auch für Russland?

Meines Erachtens muss man erst mal Teilergebnisse erzielen und dann Vertrauen schaffen. Ich denke, wir dürfen das Friedensabkommen nicht mit Anforderungen überlasten. Da werden dann alle enttäuscht sein, und das wird, wie in der Vergangenheit, dann wieder zum Zusammenbruch von solchen Abmachungen führen.

Bevor es zu einem Frieden kommt, muss es erst mal zu einer Deeskalation kommen und zu einem Vertrauen.

Viel mehr müsste man bei solchen Treffen beispielsweise Waffenstillstände erreichen, die vielleicht auch nur temporär oder räumlich begrenzt sind. Das heisst also, bevor es zu einem Frieden kommt, muss es erst mal zu einer Deeskalation kommen und zu einem Vertrauen.

Wie weit ist dieses Vertrauen denn fortgeschritten?

Das Vertrauen ist natürlich denkbar gering, aber es findet nach wie vor Gefangenenaustausch statt. Also es gibt auch Kommunikation zwischen den Russen und den Ukrainern – zum Teil vermittelt über die Türkei.

Auf der anderen Seite reaktivieren die Russen die Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur und auf Städte wie Kiew. Das heisst, auf der einen Seite gibt es durchaus Abmachungen sehr begrenzter Art, auf der anderen Seite eine russische Eskalation. Und insofern können wir jetzt nicht sagen, dass die Ausgangsposition positiv ist.

Sind Friedenstreffen in der Art und Weise, wie sie Selenski initiiert, eher Sinn oder Unsinn?

Also natürlich sind sie sinnvoll. Denn wir müssen uns darüber verständigen, wie das Licht am Ende des Tunnels aussehen soll. Das heisst, wir haben lange Zeit nur die Sprache der Gewalt gehabt. Als ob das die einzige Form der Kommunikation miteinander ist. Natürlich muss dieser Krieg in einen politischen Prozess überführt werden. Und wir sind da ganz am Anfang davon. Welche Themenbereiche müssen überhaupt Teil dieses politischen Prozesses sein und was nicht. Das heisst, wo gibt es Annäherungsmöglichkeiten und was wird nicht lösbar sein?

Das Gespräch führte Tim Eggimann.

SRF 4 News, 11.12.2023, 12:30 Uhr ; 

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