Die Ukrainer und Ukrainerinnen mussten das Schlimmste befürchten, als sie sahen, wie US-Präsident Trump dem Mann den roten Teppich ausrollte, der seit dreieinhalb Jahren ihr Land angreift und terrorisiert. Sie erinnerten sich daran, wie ihr eigener Präsident vor einem halben Jahr im Weissen Haus gedemütigt wurde – obwohl die Ukraine das Opfer und Russland der Aggressor ist.
Und man registrierte in Kiew auch sehr wohl, dass der russische Aussenminister Lawrow, der ebenfalls angereist war, einen Pullover mit der Aufschrift «UdSSR» trug. Eine klare Untermauerung des Anspruchs des Kremls, die Ukraine wieder ganz zu kontrollieren und zu unterwerfen, wie zu Zeiten der Sowjetunion.
Selenski will Flexibilität zeigen
Trotzdem blieb die ganz grosse Katastrophe aus ukrainischer Sicht aus: Putin erhielt zwar Legitimation und eine grosse Show, aber ein Deal mit Trump, über die Köpfe der ukrainischen Führung hinweg, kam nicht zu Stande. Und es gab – so viel man weiss – auch keine Sanktionserleichterungen.
Der US-Präsident informierte am Samstagmorgen seinen ukrainischen Amtskollegen über sein Treffen mit Kremlchef Putin. Selenski gab danach bekannt, dass er am Montag zu einem Treffen mit Trump nach Washington reisen werde. Er unterstütze den Vorschlag eines Treffens zwischen der Ukraine, der USA und Russland und sei bereit, mit grossem Einsatz daran zu arbeiten, Frieden zu erreichen, so Selenski.
Washington lässt Kiew auf sich alleine gestellt
Ungeachtet dieser schönen Worte hat man in der Ukraine genau verstanden, dass Kremlchef Putin einmal mehr erfolgreich auf Zeit gespielt und es geschafft hat, weitere Sanktionen abzuwenden. Trotz all der Versprechen, Telefongespräche und Treffen dreht man sich im Kreis. Gleichzeitig dauern die russischen Angriffe unvermindert an.
Selenskis Aufgabe ist es, am Montag einmal mehr die ukrainische Sicht einzubringen und zu erreichen, dass Waffen weiter über Europa verkauft werden dürfen und Aufklärungsdaten geteilt werden. Mehr zu erreichen, wird wohl schwierig. Trump scheint nicht gewillt, echten Druck auf das kriegsführende Russland auszuüben, und Kremlchef Putin wurde durch das Treffen gestärkt und wohl in seinem Kriegskurs bestätigt. Auf eine Bereitschaft zum Frieden deutet das alles keineswegs hin.