Ende Juli in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh: Zwei europäische Politiker treten vor die Kameras und stellen den Wahlen ein positives Zeugnis aus.
Kambodscha zeige der Welt, dass es im Begriff sei, eine vollwertige Demokratie zu werden, sagt Maurizio Marrone, Regionalabgeordneter der italienischen postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia, in die Kameras des russischen Fernsehsenders Russia Today. Und Axel Kassegger, Parlamentsabgeordneter der österreichischen FPÖ, lobt, das Wahlverfahren befinde sich auf dem Qualitätsniveau der westlichen Welt.
Gefälligkeitsgutachten freundlich gesinnter Politiker
Erstaunliche Aussagen, hatte doch die EU die Wahl in Kambodscha als nicht rechtmässig bezeichnet und sich geweigert, Wahlbeobachter zu entsenden. Sogar die einheimischen Wahlbeobachter hatten sich zurückgezogen, weil die unabhängige Opposition von der Wahl ausgeschlossen war und zum Teil im Gefängnis sass.
Was also tun diese beiden europäischen Politiker in Pnomh Penh? Sie stellen Gefälligkeitsgutachten aus, sagt die Expertin Stefanie Schiffer. Sie arbeitet für die Europäische Plattform für unabhängige Wahlen – eine Organisation, die sich für die Qualität von Wahlbeobachtungen einsetzt. Sie sagt: «Ziel ist es, die einheimische Wählerschaft zu verwirren und eine Wahl als legitim und fair auszugeben, die es eigentlich nicht ist.»
Aus mindestens fünf EU-Staaten waren Vertreter EU-kritischer, prorussischer Parteien vor Ort. Kassegger wurde in Kambodscha vom Parteikollegen Johannes Hübner von der FPÖ begleitet. Hübner war schon 2014 als sogenannter Beobachter zum international nicht anerkannten Referendum auf die Krim gereist. Und Marrone hat in Turin eine Art «diplomatische Vertretung» der selbsternannten, abtrünnigen ostukrainischen Republik Donetsk eröffnet.
Etikett demokratischer Wahlen als Schmuck
Gibt es da also einen Zusammenhang mit der russischen Politik? Ja, bestätigt Schiffer, und sagt: «Es gibt in der russischen Föderation Institutionen, die sich damit beschäftigen, Wahlbeobachter aus ganz Europa einzuladen, die mit Russland freundschaftliche Beziehungen haben.» Diese Einladung von freundlich gesinnten Wahlbeobachtern etabliere sich auch in anderen Ländern.
Zum ersten Mal in Erscheinung getreten sind solche politisch motivierten Wahlbeobachter in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion; in Aserbaidschan vor allem, in Russland, aber auch in Kasachstan. In Staaten, die sich nach aussen hin mit dem Etikett demokratischer Wahlen schmücken, aber einen freien und fairen Wahlprozess nicht zulassen wollten.
Der amerikanische Politikwissenschaftler Christopher Walker vom der amerikanischen Demokratiestiftung National Endowment for Democracy verfolgt das Phänomen schon länger. Er sagt, der Einsatz von solchen «alternativen» Beobachtern sei inzwischen ein globales Phänomen.
Vor allem in antiliberalen, autoritären Staaten
Die politische oder ideologische Ausrichtung des jeweiligen Regimes ist egal – es handelt sich aber durchwegs um antiliberale und autoritäre Staaten. Ziel dieser «alternativen» Wahlbeobachtung sei, Verwirrung zu stiften, wie Walker erklärt: «Man will ein Bild von kompetitiver Politik transportieren, wenn die Autorität ebendiesen Wettbewerb nicht erlaubt.» Es werde eine falsche Alternative zu einer authentischen, pluralistischen und offenen Politik geboten.
Am Ende traut man Wahlen und Wahlbeobachtungen nicht mehr, weil man nicht weiss, was methodisch und was politisch fundiert ist.
Die Experten sind sich einig: Politisch motivierte Wahlbeobachtung hat das Potential, grossen Schaden anzurichten, für die Demokratie insgesamt. Die Einrichtung der Wahlen würden geschwächt, so Schiffer. «Am Ende traut man Wahlen und Wahlbeobachtungen nicht mehr, weil man nicht weiss, was methodisch und was politisch fundiert ist.»
Der FPÖ-Politiker Axel Kassegger war für eine Stellungnahme nicht zur erreichen. Er und sein Parteikollege Hübner sagten den österreichischen Medien, sie seien auf Einladung der kambodschanischen Regierung privat nach Pnomh Penh gereist.