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Trockenheit in Spanien «Man kann von einer Jahrhundert-Trockenheit sprechen»

In Teilen Spaniens ist es nicht nur aussergewöhnlich warm, sondern auch sehr trocken. Besonders betroffen ist die Region um Barcelona in Katalonien. In den Stauseen sind kaum noch Reserven vorhanden. Die freie Journalistin Julia Macher schätzt die Lage ein.

Julia Macher

Journalistin in Barcelona

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Julia Macher berichtet aus Spanien für verschiedene Radio- und TV-Sender, hauptsächlich über Gesellschaft und Kultur.

SRF News: Wie trocken ist es in Spanien aktuell?

Julia Macher: Also was Dauer, Intensität und Grösse des betroffenen Gebiets betrifft, kann man wirklich von einer Jahrhundert-Trockenheit sprechen. Sie betrifft sechs Millionen Menschen, 200 Kommunen, darunter auch Barcelona. Erstmals ist der Wasserverbrauch auf 200 Liter pro Einwohner und Tag limitiert worden. Hier in Barcelona liegt der Verbrauch bei 173 Litern. Man merkt also relativ wenig im Alltag. Aber in anderen Orten wird nachts zum Beispiel das Wasser abgestellt.

Oder an der Costa Brava, wo es besonders viele Zweitresidenzen und Ferienhäuser mit Pool gibt, da hat man bei manchen Grossverbrauchern Limiter an die Leitungen gesteckt.

War dieser Notstand nicht absehbar?

Ja, er war erwartbar, und er ist auch in gewisser Weise eingepreist gewesen. Es ist jetzt die letzte Stufe des Dürreplans der Regionalregierung. Dieser ist seit September 2021 in Kraft.

Das Wetter hat sich geändert, es gibt einfach weniger Niederschläge. Aber es kommen auch strukturelle Ursachen dazu.

Wo sehen Sie denn die Ursachen für diesen Wassernotstand?

Es ist natürlich klimawandelbedingt. Das Wetter hat sich geändert, es gibt einfach weniger Niederschläge. Aber es kommen auch strukturelle Ursachen dazu. Die Wasserleitungen lecken zum Teil. Es gibt veraltete Kanalsysteme, gerade in kleinen Ortschaften.

Umweltorganisationen wie Greenpeace oder die Plattform «Aigua es vida» kritisieren, dass die spanische Wirtschaft auf zwei Zweige gesetzt hat, die besonders viel Wasser benötigen, auf die Landwirtschaft und auf den Tourismus.

Man muss sich einfach vor Augen führen, dass 80 Prozent der Agrarflächen in Spanien künstlich bewässert werden.

Die Landwirtschaft ist sehr wasserintensiv. Angesichts des Klimawandels muss Spanien wohl auch in Zukunft mit langen Trockenheitsperioden rechnen. Ist man da vorbereitet?

Richtig vorbereitet ist man nicht. Und ich glaube, die spanische Landwirtschaft steht jetzt an einem Scheideweg. Man muss sich einfach vor Augen führen, dass 80 Prozent der Agrarflächen in Spanien künstlich bewässert werden.

Das System wurde zwar modernisiert, in den 90er-Jahren hat man fast überall Tröpfchenbewässerung eingeführt, aber dann oft mit dem Ergebnis, dass mit dem gleichen Wasser die doppelte Fläche bewässert wurde oder zwei Ernten im Jahr eingefahren wurden.

Die Sorge der Hoteliers ist nicht die Wasserknappheit an sich, sondern der Imageschaden, der Spanien dadurch entstehen könnte.

Welche Folgen hat der Wassernotstand für den wichtigen Tourismus?

Es stellt sich die Frage, ob das Modell «Sonne Strand», zu dem immer auch noch ein Pool gehört, tragbar ist. Die Debatte kocht gerade hier in Katalonien sehr hoch darüber.

Ich habe in den letzten Tagen mit Hoteliers gesprochen. Deren grösste Sorge ist nicht die Wasserknappheit an sich, sondern der Imageschaden, der Spanien dadurch entstehen könnte.

Welchen Stellenwert hat der Wassernotstand in der spanischen Politik?

Es ist ein Thema, das die Politik auch immer mehr beschäftigt. Letztes Jahr hat die Regierung den Wasserwirtschaftsplan überarbeitet. 6.6 Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahren in Reparaturen von Infrastruktur fliessen.

Die Abwasseraufbereitung soll verbessert werden, die Nutzung effizienter werden. Erstmals wurde auch für alle Flussgebiete ein Mindestvolumen, unter dem ein Fluss oder ein Stausee nicht mehr industriell genutzt werden darf, festgelegt. Das sind wichtige Weichenstellungen, aber natürlich keine Patentrezepte für diese Konflikte, die es auch in Zukunft immer wieder geben wird. Beim Verteilungskampf ums Wasser.

Das Gespräch führte Iwan Lieberherr

Echo der Zeit, 18.02.2024, 18:00 Uhr ; 

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