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Trotz Alkoholverbot «Erstaunlich, wie beliebt das chinesische Bier in Pakistan ist»

Pakistan erlebt einen ungewöhnlichen Hype mit Bier aus China – obschon Pakistanern der Alkoholkonsum eigentlich verboten ist. Der Pakistan-Experte Leo Wigger sieht im Boom einen ersten popkulturellen Erfolg Chinas in Pakistan.

Leo Wigger

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Leo Wigger ist Experte für Pakistan. Er ist Mitarbeiter beim deutschen Thinktank Candid Foundation .

SRF News: Warum ist das chinesische Starkbier in Pakistan auf einmal derart beliebt?

Leo Wigger: Zunächst: Das Bier hat ein sehr attraktives Design, was immer wieder als Faktor für seine Beliebtheit genannt wird. Ausserdem hat es einen etwas höheren Alkoholgehalt als normales Lagerbier. Das bedeutet, dass bei einem Dealer weniger von dem verbotenen Getränk bestellt werden muss, um gleich viel Alkohol verfügbar zu haben. Bis vor Kurzem waren denn auch Whisky und Gin in Pakistan beliebter als Bier. Das hat sich seit Einführung des chinesischen Starkbiers etwas geändert.

Bier vom Schwarzmarkt

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Der Konsum von Alkohol ist in Pakistan über alle Religionsgruppen hinweg sehr verbreitet, obschon er für die Muslime im Land – sie machen 96 Prozent der 220 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner aus – eigentlich verboten wäre. Sogar Zulfikar Ali Bhutto, Pakistans Premierminister in den 1970er-Jahren und verantwortlich für die Einführung des Alkoholverbots – stand im Ruf, einem Glas Whisky keineswegs abgeneigt zu sein. Alkoholische Getränke werden nicht offiziell in Läden verkauft, doch bei Alkohol-Dealern ist in Pakistan praktisch alles zu haben.

Ist das beliebte chinesische Bier in Pakistan ein Zeichen für eine Vertiefung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern?

Die Beziehungen zwischen Peking und Islamabad sind seit den 1960er-Jahren eng. Grund dafür ist vor allem beider Feindschaft mit Indien. Pakistan ist ja auch Atommacht, China hat dem Land dabei mit entsprechender Technologie ausgeholfen.

Durch das Seidenstrasse-Projekt haben sich die Beziehungen zwischen Pakistan und China vertieft.

In den letzten Jahren hat sich die Beziehung ausserdem durch das Projekt CPEC (China-Pakistan-Economic-Corridor), ein Teil der neuen chinesischen Seidenstrasse, nochmals vertieft. Es geht dabei um Strassen-, Strom-, Häfen- und Infrastrukturprojekte im Umfang von 62 Milliarden Dollar.

Wie stark profitiert Pakistan von CPEC?

Die wirtschaftliche Abhängigkeit Pakistans von China wird immer grösser: Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre in Pakistan wurde vor allem von Peking finanziert. Entsprechend gross sind die Schulden Islamabads gegenüber China. Ausserdem stammen nicht nur die Kredite für die Projekte aus China, auch die Profite gehen dorthin zurück. So flossen etwa über 90 Prozent des Gewinns aus dem Hafenprojekt Gwadar in der pakistanischen Provinz Belutschistan nach China zurück.

Angriffe auf Chinesen

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Belutschistan ist eine der ärmsten Provinzen Pakistans. Der Abfluss der Gewinne aus Grossprojekten wie dem von den Chinesen ausgebauten Hafen von Gwadar verstärkt die sowieso schon vorhandenen Spannungen zusätzlich. So kommt es in Belutschistan immer wieder zu Attacken und Anschlägen auf chinesische Arbeiter – und das, obschon 15'000 pakistanische Sicherheitskräfte extra dafür abgestellt sind, die Chinesen in der Provinz zu schützen.

Wie steht die pakistanische Bevölkerung zum Einfluss Chinas?

Die Partnerschaft mit China hat die Herzen der Pakistanerinnen und Pakistaner nie so richtig erreicht. Auch war der kulturelle Blick der pakistanischen Elite stets eher nach Westen gerichtet – und nicht nach Nordosten. Deshalb ist es umso erstaunlicher, dass jetzt ein Bier aus China in der pakistanischen Mittel- und Oberschicht auf einmal derart beliebt ist.

Es gibt keine chinesischen Filme oder Popstars, die international beliebt sind. Deshalb ist die Beliebtheit des chinesischen Biers eine interessante Volte der Geschichte.

Kann das beliebte chinesische Bier auch etwas an den kulturellen Beziehungen zu China ändern?

China hat dasselbe Problem nicht nur in Pakistan: Zwar wird Peking dank der wirtschaftlichen Projekte geopolitisch immer mächtiger, doch kulturell konnte China dies nie untermauern. Es gibt keine chinesischen Filme oder Popstars, die international beliebt sind. Deshalb ist die Beliebtheit des chinesischen Biers eine interessante Volte der Geschichte – vor allem, weil das von chinesischer staatlicher Seite nicht so geplant war. So ist das ja immer mit der Popkultur.

Das Gespräch führte Nicolas Malzacher.

SRF 4 News, 08.08.2022, 08:20 Uhr ; 

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