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Trump in Polen «Eine düstere und konservative Rede»

US-Präsident Trump sprach in Polen vor applaudierenden Massen. Osteuropa-Korrespondent Urs Bruderer hat zugehört.

Urs Bruderer

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Portrait von Urs Bruderer

Der Journalist wirkt seit 2006 für SRF, zunächst als Produzent der Sendung «Echo der Zeit». 2009 wurde er EU-Korrespondent in Brüssel. Seit 2014 berichtet Bruderer aus Osteuropa. Er hat Philosophie und Geschichte studiert.

SRF News: Hat Trump die Erwartungen der Gastgeber erfüllt?

Urs Bruderer: Trump lobte Polen als die Seele Europas und massierte sie dort, wo sie es besonders mögen: an ihrer Rolle als Helden und Opfer des zweiten Weltkriegs. Für die Polen hat er die Erwartungen also mehr als erfüllt. Er hat dem Land sozusagen den Schmus gemacht.

Wie erklären Sie sich das?

Die einfachste Erklärung ist die, dass er sich in Europa Freunde suchte. Bei seinem letzten Besuch hat er viele vor den Kopf gestossen. Man erinnerte sich vor allem an Unhöflichkeiten und Rempeleien. Polen hat sich als Land erwiesen, das für Trumps Schmeicheleien sehr empfänglich ist: Die Regierungspartei hat alles gemacht, um ihm einen schönen Empfang zu geben. Sie hat massenweise Anhänger mit Bussen nach Warschau gefahren, die dann im richtigen Moment gejubelt haben.

Es war auffällig, dass Trump in seiner Rede in Warschau nie von der EU sprach.
Autor: Urs Bruderer Osteuropa-Korrespondent

Trump hat in Polen auch Geschäfte gemacht: Das Land will US-Abwehrraketen kaufen und die USA wollen Flüssiggas liefern. Stehen da wirtschaftliche Interessen im Vordergrund oder ist es als Schwächung Russlands gedacht?

Beim Raketengeschäft geht es zweifellos auch um Milliarden. Beim Gas bleibt es abzuwarten, ob die USA zu einem attraktiven Preis liefern können. Beide angekündigten Geschäfte haben aber eine klar antirussische Note. Russland hat kürzlich in der an Polen angrenzenden Enklave Kaliningrad Kurzstreckenraketen stationiert, die mit Atomköpfen ausgestattet werden können.

Die fundamentale Frage unserer Zeit ist, ob der Westen den Willen hat, zu überleben
Autor: Donald Trump US-Präsident

Jetzt erhält Polen ein US-Raketenabwehrsystem. Polen ist zudem beim Gas derzeit fast vollständig von Russland abhängig. Das könnte sich jetzt mit dem amerikanischen Flüssiggas ändern. Das ist wichtig, weil Polen demnächst wieder langfristige Lieferverträge mit Russland aushandeln muss. Alleine das Angebot der USA ist für Polen interessant.

Polen liegt seit Monaten im Clinch mit der EU. Ist der Besuch auch als Drohfinger in Richtung Brüssel zu verstehen?

Es war auffällig, dass Trump in seiner Rede in Warschau nie von der EU sprach, sondern von Europa, von den Nationen Europas und der Gemeinschaft der westlichen Nationen. Zudem bezeichnete er als die «Feinde der freien Völker dieser Welt» den islamistischen Extremismus, Russland und schliesslich die Bürokratie. Der Westen sei nicht mit Verordnungen gross geworden, sondern mit individueller Freiheit. Bei solchen Aussagen werden viele Zuhörer an die EU gedacht haben.

Angekündigt war eine «grosse Rede» von Trump. Was war seine Botschaft an die Welt?

Es war vor allem eine sehr düstere und konservative Rede. Trump sprach davon, dass es darum gehe, die Zivilisation zu verteidigen. Das könne man nur, wenn man sich auf die eigenen Traditionen, die Geschichte, familiäre Werte und Gott besinne. Dieses Thema lässt sich in einer Aussage von Trump zusammenfassen: Die fundamentale Frage unserer Zeit sei, ob der Westen den Willen habe, zu überleben.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

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