Donald Trump hat angekündigt, dass die USA wieder Atomwaffentests durchführen könnten. Der Friedensforscher Ulrich Kühn hält das zwar für möglich, aber nicht für kurzfristig umsetzbar – zuständig wäre das Energieministerium, nicht das von Trump genannte «Kriegsministerium». Dennoch warnt er: Eine Wiederaufnahme könnte ein neues nukleares Wettrüsten auslösen und die globale Sicherheitsarchitektur gefährden.
SRF News: Was waren Ihre Gedanken heute morgen, als Sie von den US-Atomwaffentests gelesen haben?
Ulrich Kühn: Mein erster Gedanke war: Das kann er nicht ernst meinen. Nach dem Lesen seiner Nachricht auf Truth Social wurde klar: Sie enthält wie so oft Falschaussagen. Trotzdem halte ich es für möglich, dass die USA irgendwann wieder testen.
Trump sagt doch, er möchte sofort wieder testen. Wie schnell könnte das gehen?
Na, zunächst einmal muss man hier festhalten, dass Trump bekanntlich schreibt, er hätte das neu benannte Kriegsministerium damit beauftragt. Zuständig für die amerikanischen Nuklearwaffen ist aber das Energieministerium. Für die Tests brauchte es die entsprechenden Mittel, die aktuell im Verteidigungsbudget aber nicht vorgesehen sind – der Kongress müsste sie erst bewilligen.
Das heisst also – es würde länger dauern, bis solche Tests überhaupt stattfinden könnten?
Falls es dazu kommt, dürfte es Monate oder Jahre dauern. Man muss dazu aber auch sagen: Auf dem Testgelände im US-Bundesstaat Nevada hat man in den letzten zwei Jahren immer wieder Aktivitäten festgestellt anhand von Satellitenaufnahmen.
Trump sprach auf kryptische Art und Weise Russland an. Kremlchef Putin hatte vergangene Woche ja angekündigt, dass man Typen von atomgetriebenen Marschflugkörpern getestet habe. Um was geht es bei diesen Tests in Russland?
Man darf jetzt die Ankündigung von Trump nicht durcheinanderbringen mit dem, was die Russen gemacht haben. Der US-Präsident spricht von echten Atomexplosionen – also gezielten Tests mit nuklearen Sprengkörpern –, das hat man auf russischer oder chinesischer Seite bislang nicht gesehen. Was wir auf russischer Seite gesehen haben, war der Test von zwei neuen Raketentypen: Burewestnik und Poseidon. Das Neue daran ist ihr Antrieb – beide Systeme nutzen einen Mini-Reaktor und sind nuklear betrieben. Es handelt sich also um einen nuklear angetriebenen Marschflugkörper beziehungsweise Torpedo, nicht um Atomwaffentests im klassischen Sinn.
Das wäre für die globale Sicherheitsarchitektur ein desaströses Ergebnis.
Worin besteht der Mehrwert eines solchen Tests für die USA heute?
Man kann unter anderem herausfinden, wie langfristig diese Waffen lagerfähig und einsatzfähig wären – quasi eine Art Haltbarkeitsdatum feststellen. Man kann zudem feststellen, ob die Waffen eine grosse oder kleinere Wirkung haben. Aus Sicht der nuklearen Abschreckung machen solche Tests also durchaus Sinn – sie liefern wichtige Erkenntnisse über die Einsatzfähigkeit von Atomwaffen. Dennoch haben sich die grossen Nationen seit Mitte der 1990er-Jahre darauf verständigt: Wir testen nicht mehr.
Welche Gefahren birgt die Wiederaufnahme von Atomtests für die globale Sicherheitsarchitektur?
Wenn die USA wieder anfangen, Nuklearwaffen zu testen, dann sind wir wieder mitten im Kalten Krieg. Dann werden die anderen nachziehen: Russland und China werden testen. Und wenn die Chinesen testen, werden die Inder und die Pakistanis testen. Das wäre für die globale Sicherheitsarchitektur ein absolut desaströses Ergebnis.
Das Gespräch führte Michael Rauchenstein.