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ARD-Korrespondentin Senz: «Hinrichtungen haben Menschen schockiert»
Aus SRF 4 News aktuell vom 29.12.2022. Bild: Keystone/AP/Francisco Seco
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Über 100 Tage Widerstand Iran will Protestbewegung mit Todesurteilen brechen

Laut einer Menschenrechtsorganisation droht 100 Demonstranten die Todesstrafe. Das Regime verfolgt ein zynisches Kalkül.

Seit über drei Monaten halten die Proteste gegen das Regime in Iran an. Versöhnliche Töne sind von Teheran nicht zu vernehmen. Im Gegenteil: Der Sicherheitsapparat geht weiter brutal gegen Demonstrierende vor. Und sie sollen auch die volle Härte der Justiz zu spüren bekommen. Wie die in Oslo ansässige Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHRNGO) berichtet, droht mindestens 100 Menschen die Todesstrafe.

Ihnen würden Tatbestände zur Last gelegt, die in Iran mit der Hinrichtung bestraft werden können. Ein beträchtlicher Teil der Festgenommenen soll nur begrenzten Zugang zu juristischem Beistand haben. 13 der Inhaftierten wurden laut dem Bericht bereits im Schnellverfahren zum Tod verurteilt.

Protest in Berlin gegen das iranische Regime
Legende: Auslöser der landesweiten Proteste war der Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini. Sie starb am 16. September im Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen Verstosses gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. Keystone/AP/Markus Schreiber

«Mit den Todesurteilen sollen die Menschen dazu bewegt werden, zu Hause zu bleiben», fasst IHRNGO-Direktor Mahmood Amiry-Moghaddam das Kalkül des Regimes zusammen. Das habe zwar einen «gewissen Effekt» auf die Protestbewegung, schüre aber die Wut der Menschen auf die Staatsmacht nur noch mehr. «Die Strategie, durch Todesurteile Angst zu säen, schlägt fehl.»

Mitte Dezember vollstreckte das Regime zwei Todesurteile. Dabei wurden die beiden 23-jährigen Demonstranten Mohsen Shekari und Majidreza Rahnavard hingerichtet.

Starke Zeichen des Widerstands

Karin Senz berichtet für die ARD über den Iran. Derzeit ist sie in Istanbul. Die Hinrichtungen hätten eine schockierende Wirkung auf die Menschen gehabt, sagt sie. «Die Proteste im Land sind offenbar weniger geworden.» Ob das direkt mit den Exekutionen zusammenhängt, sei schwer zu sagen. «Aber die Leute gehen ohnehin eher von einem Marathon als von einem Sprint aus.»

Im Moment ist die Lage in Iran laut der ARD-Korrespondentin zwar relativ ruhig. «Eingeschlafen sind die Proteste aber nicht.» Die Menschen würden sich etwa bei Beerdigungen versammeln, wo oft nicht mehr islamische Rituale vollzogen würden, sondern getanzt und musiziert werde. «Das ist völlig untypisch in einem Land wie Iran.»

Protest gegen das Regime in Teheran, 21. September 2022.
Legende: Seit Mitte Dezember sind laut IHRNGO 476 Demonstrierende bei den Protesten ums Leben gekommen. Mindestens 14'000 Personen wurden nach UNO-Angaben in den ersten 100 Tagen des Protests verhaftet. Bild: Protest gegen das Regime in Teheran, 21. September 2022. Reuters

Landesweit gibt es weiterhin starke Zeichen des Widerstands: «Abends rufen die Menschen noch immer Slogans wie ‹Tod dem Diktator› von den Balkons. Und für heute wurde erneut zu Protesten aufgerufen, auch wenn solche Aufrufe zuletzt auch mal ins Leere gelaufen sind», sagt Senz.

Neues Selbstbewusstsein der Frauen

Verändert hat sich auch das Strassenbild in Iran. Offenbar nachhaltig, wie die deutsche Journalistin berichtet. «Viele iranische Frauen verzichten demonstrativ auf das Kopftuch. Die Frauen haben in den letzten Monaten ein neues Selbstbewusstsein gewonnen.» Berichte, wonach die Sittenpolizei als Konzession an die Protestbewegung abgeschafft worden ist, bezeichnet Senz aber als «Blendgranate»: «Die Frauen müssen immer noch damit rechnen, dass sie verfolgt und bestraft werden, wenn sie das Kopftuch nicht tragen.»

Die Proteste richten sich aber nicht nur gegen die Diskriminierung der Frauen, sondern auch gegen die prekäre wirtschaftliche Lage im Land, den verhärteten Klerus, Korruption und die politische Klasse generell. Ihr wird nicht zugetraut, etwas zum Besseren zu ändern. «In den Protesten sehen die Menschen eine Chance, etwas im eigenen Land zu ändern», schliesst Senz. «Durch Wahlen war dies nicht zu erreichen. Das haben die letzten Jahre gezeigt.»

SRF 4 News, 29.12.2022, 07:15 Uhr;

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