Die beiden letzten grossen, einigermassen unabhängigen Medien in der Türkei, CNN-Türk und «Hürriyet», kommen unter die Kontrolle eines regierungsnahen Unternehmens. Der Besitzer-Konzern Dogan teilte mit, er führe Gespräche zum Verkauf seiner Mediengruppe an die Demirören-Holding.
Der Handel werde keineswegs zufällig gerade jetzt aktuell, sagt der Türkei-Korrespondent der ARD. Vielmehr dürfte Präsident Recep Tayyip Erdogan die Hand im Spiel gehabt haben: «Er bereitet den Medienmarkt schon jetzt auf die Wahlen von 2019 vor», ist Christian Buttkereit überzeugt.
SRF News: «Hürryiet» und CNN-Türk gehören bald einem regierungsnahen Unternehmen; werden jetzt auch sie auf einen regierungsfreundlichen Kurs umschwenken?
Christian Buttkereit: Das ist zu befürchten. 2011 hatte die Demirören-Gruppe bereits die Zeitungen «Milliyet» und «Vatan» übernommen. Sie hatten bis dahin relativ kritisch berichtet, schwenkten nach der Übernahme aber auf einen regierungsfreundlichen Kurs um. Man weiss, dass der damalige Ministerpräsident und heutige Staatschef Erdogan mit dem Chef der Demirören-Gruppe telefoniert und sich über eine zu kritische Berichterstattung beschwert hatte. Mittlerweile sind beide Blätter auf Regierungslinie.
Erfolgt der Verkauf, weil der Druck der Erdogan-Regierung auf den Dogan-Konzern einfach zu gross wurde?
Alle Medienhäuser in der Türkei sind Mischkonzerne – auch Dogan. Der Konzern ist auch auf anderen Feldern wie der Industrie, oder in der Bau- und Finanzwirtschaft aktiv. Deshalb kann es sich ein Konzern wie Dogan nicht leisten, wegen seiner zu kritisch berichtenden Medien ständig mit der Regierung über Kreuz zu liegen. Denn dann erhält er keine Staatsaufträge. In der Tat hatte Dogan immer wieder Streit mit Erdogan, worauf die Regierung mit teilweise horrenden Steuerforderungen reagierte.
Ein Konzern wie Dogan kann es sich nicht leisten, wegen seiner zu kritisch berichtenden Medien ständig mit der Regierung über Kreuz zu liegen. Denn dann erhält er keine Staatsaufträge
Es wurde auch ein Gespräch bekannt, in dem Erdogan seinen Justizminister anwies, für ein hartes Urteil gegen Dogan zu sorgen. Dieser Druck war nun offenbar erfolgreich. Die Tatsache, dass der Börsenkurs der Dogan-Aktie jetzt, nach Bekanntgabe der Verkaufsverhandlungen, umgehend stieg, spricht Bände. Offenbar ist die Erleichterung bei den Anlegern gross, dass der Dogan-Konzern seine belastende Medienbranche abstösst und nun ungehindert den anderen Geschäften nachgehen kann.
Auch die Demirören-Holding ist ein Mischkonzern. Wie ist er mit Präsident Erdogan verbunden?
Demirören gilt als sehr regierungs- und Erdogan-nah. Vor allem in der Bauwirtschaft ist die Holding einer der ganz grossen Player. In der Türkei spielt die Baubranche angesichts staatlicher Riesenprojekte wie dem Flughafenprojekt bei Istanbul – dort entsteht der grösste Airport der Welt – eine grosse Rolle. Demirören wird eine grosse Nähe zu Erdogan zugesprochen.
Am Ende des Telefonats entschuldigt sich Demirören unter Tränen für die kritische Berichterstattung bei Erdogan.
Es ist ein Telefonat bekannt, in dessen Verlauf Präsident Erdogan den Konzerngründer Demiören abkanzelt und die Entlassung mehrerer Journalisten fordert. Am Ende entschuldigt sich Demirören unter Tränen für die kritische Berichterstattung. Präsident Erdogan wird mit dem Konzern also auch in Zukunft leichtes Spiel haben – wie das die beiden Zeitungen «Milliyet» und «Vatan» ja beweisen.
Schon jetzt berichten viele türkische Medien sehr regierungsnah. Wie offensichtlich zeigt sich das?
Vor allem darin, dass über manches gar nicht berichtet wird. So sind die Stimmen der Opposition praktisch gar nicht zu hören, die pro-kurdische HDP kommt in vielen Zeitungen gar nicht vor. Stattdessen wird ausführlich über die Regierungsarbeit berichtet. Im Fernsehen sind jeden Tag ewig lange Reden Erdogans oder seines Ministerpräsidenten Binali Yildirim zu sehen. Immerhin gibt es bei CNN Türk – bisher – immer noch Talkrunden, in denen auch kritische Geister zu Wort kommen. Allerdings muss man befürchten, dass diese Sendungen weniger werden. Mit der geplanten Übernahme von CNN-Türk und «Hürryiet» dürften bald alle wichtigen Medien auf Regierungslinie laufen.
Erdogan bereitet den Medienmarkt auf die Wahlen von 2019 vor. Er wird im Wahlkampf nichts dem Zufall überlassen.
Präsident Erdogan dürfte seine Macht dadurch weiter zementieren...
Ohne Zweifel. Zudem bereitet er den Medienmarkt bereits auf die Wahlen von 2019 vor. Er wird im Wahlkampf nichts dem Zufall überlassen. Die Übernahme der Dogan-Mediengruppe durch Demirören muss man in diesem Zusammenhang sehen.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.