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Überraschende Studie Je reicher das Land, desto unglücklicher seine Jugend

Geld macht glücklich? Bei Jugendlichen stimmt das nicht: In reichen Ländern leiden sie laut einer Studie unter dem Druck in der Schule.

Je wohlhabender ein Land ist, desto zufriedener sind die Menschen. Das zeigt die Forschung. Es stimmt aber offenbar nur bedingt: Bei Jugendlichen ist es nämlich umgekehrt.

So zeigt eine neue Studie der Korea University, dass Jugendliche unglücklicher werden, wenn das Pro-Kopf-Einkommen im Land steigt. Dieses Paradox war laut den Studienautoren bislang unbekannt.

Die Studie wurde im «Journal of Happiness Studies» veröffentlicht

Die Autoren führen das Ergebnis darauf zurück, dass für die Jugendlichen der Stress zunimmt, je wohlhabender ihr Land ist. «Die Investitionen der Eltern in die Bildung ihrer Kinder ist in Ländern mit hohem Einkommen am höchsten, ebenso wie die Erwartungen der Lehrer und Eltern an die kognitiven Anstrengungen der Kinder.»

«Geringeres subjektives Wohlbefinden»

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Für die Studie wurden Daten von fast einer halben Million 15-Jährigen aus 72 Ländern verglichen. Sie stammen aus Schülerbefragungen, die 2018 im Rahmen der Pisa-Studie erhoben worden sind. Die Pisa-Studie fokussiert auf Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften.

Schülerinnen und Schülern aus reichen Ländern würden in der Pisa-Studie sehr viel besser abschneiden als aus jenen mit mittleren Einkommen, erklärt der Ökonom Robert Rudolf, einer der Verfasser der Studie. «Unsere statistischen Modelle zeigen, dass dieser Bildungserfolg in reichen Ländern mit geringerem subjektivem Wohlbefinden von Jugendlichen einhergeht.»

Das gilt alles auch für die Schweiz. Aber: Sie befindet sich in Sachen Zufriedenheit unter Jugendlichen relativ weit oben. «Sie ist diesbezüglich im oberen Mittelfeld», sagt Rudolf.

Wird die Bildung in einem Land besser, nimmt auch der Wettbewerb innerhalb der Schulen zu. Und darum sind die Jugendlichen weniger zufrieden. Mädchen sind laut Studie stärker betroffen als Jungen.

Druck durch Konkurrenzdenken

Lena Bühler ist Präsidentin der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände. Sie kann die Ergebnisse der Studie nachvollziehen.

Wir stehen in einer grossen Konkurrenz zu anderen Mitschülerinnen und Mitschülern.
Autor: Lena Bühler Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände

«Einen grossen Teil unserer Lebenszeit verbringen wir in der Schule», sagt die Studentin an der Uni Freiburg. «Dort geht es vor allem darum, dass wir das Schuljahr bestehen und gute Noten schreiben. Wir stehen in einer grossen Konkurrenz zu anderen Mitschülerinnen und Mitschülern.»

Schülerinnen in St. Gallen (Archiv)
Legende: Aus der Studie lässt sich nicht schliessen, dass Jugendliche in ärmeren Ländern glücklicher sind. Denn Länder mit sehr niedrigem Einkommen tauchen darin nicht auf, da es von ihnen keine Daten gibt. Keystone/Gaetan Bally

Ihnen werde auch die Devise mitgegeben: Je besser ihr in der Schule seid, desto glücklicher und erfolgreicher seid ihr. Das sei aber nicht der Fall, sagt die junge Frau. «Es wird zu wenig Wert auf zwischenmenschliche Beziehungen und Zusammenarbeit gelegt.»

Kooperation statt Wettbewerb

Tatsächlich bilanziert auch die Studie, dass die Jugendlichen zufriedener sind, wenn sie häufiger und intensiver zusammenarbeiten.  

«Wenn wir ein gemeinsames Ziel hatten, waren bei uns in der Schule viele viel motivierter und wollten zusammen einen Erfolg verbuchen», erinnert sich die ehemalige Gymnasiastin. «Wenn es aber darum ging, alleine eine Prüfung zu schreiben, hat dies das Konkurrenzdenken untereinander gefördert.»

Junge Menschen brauchen Zeit, um sich zu überlegen, welche sinnvollen Tätigkeiten sie ausüben könnten und um soziale Beziehungen zu pflegen.
Autor: Lena Bühler Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände

Bühler findet, ein Problem gemeinsam anzugehen und an einer Lösung zu arbeiten, sei gerade in der heutigen Zeit eine wichtige Kompetenz. «Denn es gibt verschiedene globale Krisen, die wir nur durch Kooperation angehen können. Das könnten wir in der Schule noch viel mehr ausbauen.»

Plädoyer für mehr Freiraum

Für Bühler fehlt es vielen Jugendlichen auch an Freizeit. «Sie ist sehr wichtig, um sich entfalten und mit anderen jungen Menschen engagieren zu können.» Wenn Jugendliche mehr Freizeit verlangen, setzen das Erwachsene gerne mit Faulheit gleich. Darum gehe es aber keineswegs, sagt Bühler. «Junge Menschen brauchen Zeit, um sich zu überlegen, welche sinnvollen Tätigkeiten sie ausüben könnten und um soziale Beziehungen zu pflegen.»

Gerade vonseiten der Eltern gebe es auch verstärkt Druck, nicht nur in der Schule Leistung zu bringen. «Immer mehr Eltern haben die Erwartung, dass ihre Kinder ein sehr ausgefülltes Freizeitprogramm haben, sei es durch Sport oder auch das Erlernen eines Musikinstruments.» Diesen allgemeinen Leistungsdruck gilt es für Bühler zu lindern.

SRF 4 News, 07.03.2023, 07:53 Uhr ; 

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