Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat über die Lage in der Ukraine und die Position der Schweiz informiert.
Die Schweiz ergreife vorerst keine Sanktionen gegen Russland, sagt Staatssekretärin Livia Leu an einer Medienkonferenz.
«Die Schweiz ist sehr besorgt», sagt Leu weiter. Man verurteile die Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk durch Russland.
Durch die Truppenverlegung in die beiden ukrainischen Landesteile habe Russland die Integrität und Souveränität dieses Landes verletzt, führte die Staatssekretärin aus. Bereits zuvor hatten das EDA sowie verschiedene Schweizer Politiker das Vorgehen Russlands verurteilt.
Die Schweiz anerkenne die beiden selbsternannten Volksrepubliken nicht, sagte die Chefdiplomatin. Diese Gebiete gehörten weiterhin zur Ukraine. Man habe dies heute auch dem russischen Botschafter in der Schweiz mitgeteilt, der ins Aussendepartement zitiert worden sei. Im Übrigen verletzten die Schritte Russlands das Minsker Abkommen.
Anzahl Schweizerinnen und Schweizer in Krisengebiet unklar
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Laut Botschafter Hans-Peter Lenz, Leiter des Krisenzentrums im Schweizer Aussendepartement, hat der Bund keine Kenntnis davon, wie viele Schweizerinnen und Schweizer sich tatsächlich vor Ort im Krisengebiet um Donezk und Luhansk befinden. Die Botschaft in Kiew arbeite im Krisenmodus.
Das Personal sei wohlauf, die Botschaft sei offen und operationell, sagte Lenz vor den Medien in Bern. Die konsularischen Dienstleistungen würden im normalen Umfang erbracht. Vier Personen der Botschaft in Kiew arbeiteten derzeit von Bern aus. Die Familien des Personals vor Ort seien vor einiger Zeit angewiesen worden, in die Schweiz zurückzukehren.
Im Krisengebiet in der Ostukraine befinden sich laut Lenz derzeit zwei Schweizer Mitarbeitende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Insgesamt seien 296 Schweizer Bürger und Familienangehörige von Schweizern bei der Schweizer Botschaft angemeldet, zehn davon in der Region Donezk.
Vorerst keine Sanktionen
Der Bundesrat schliesse sich den Sanktionen von EU und USA nicht an. Sobald die EU ihre neuen Sanktionen ankündigt, werde sie die Landesregierung unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, rechtlicher und humanitärer Gesichtspunkte analysieren. Eine Diskussion sei für die Bundesratssitzung vom Mittwoch terminiert, sagte Leu.
Rechtliche Pflichten und Möglichkeiten
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Wenn die EU Sanktionen gegenüber einem Land erlässt, erörtert der Bundesrat im Einzelfall, ob eine Übernahme durch die Schweiz angezeigt ist oder nicht. Diese sorgfältige Interessenabwägung erfolge «aufgrund verschiedener aussenpolitischer, aussenwirtschaftspolitischer und rechtlicher Kriterien», hält das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco auf Anfrage fest.
Der Bundesrat könne auch Zwangsmassnahmen erlassen, um Sanktionen durchzusetzen, die von der Organisation der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder von den wichtigsten Handelspartnern der Schweiz beschlossen worden sind und die der Einhaltung des Völkerrechts, namentlich der Respektierung der Menschenrechte, dienen. Dabei kämen als besagte Zwangsmassnahmen Güterembargos, Dienstleistungsembargos, Finanzsanktionen, Ein- und Durchreiseverbote oder einer Kombination dieser und weiterer Massnahmen in Frage, so das Seco.
Verpflichtend wäre die Situation, wenn die UNO Sanktionen gegen Russland erliesse: So schreibt das Seco: «Als Mitgliedstaat der UNO ist die Schweiz völkerrechtlich verpflichtet, Sanktionen, welche der UNO-Sicherheitsrat erlässt, umzusetzen», so das Seco weiter.
Gemäss einer Regelung von 2014 sind gemäss Leu aber Massnahmen in Kraft, die verhindern, dass internationale Sanktionen mit dem Umweg über die Schweiz umgangen werden. Dazu sind bereits einige Geschäftsbeziehungen eingefroren worden, etwa solche des Gründers der russischen Söldnerorganisation Wagner.
Bereits zuvor hatte das EDA die Anerkennung der ukrainischen Regionen in Luhansk und Donezk durch Russland als unabhängige Volksrepubliken auf Twitter verurteilt.
Klare Voten von Politikerinnen und Politikern
Nationalrätin Christa Markwalder (FDP), die Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats ist und die der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-Ukraine angehört, geisselt das jüngste politische Manöver Russlands. Russlands Angriff auf die Ukraine sei einmal mehr eine eklatante Verletzung des Völkerrechts. Die Schweiz und der Westen müssten jetzt Farbe bekennen.
Balthasar Glättli, Parteipräsident der Grünen und Mitglied der Staatspolitischen Kommission, sieht in den Angriffen und Drohungen Russlands in der Ostukraine die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr, wie er auf Twitter schreibt. Um eine weitere Eskalation zu verhindern, müsse die Schweiz zusammen mit der EU bereit sein, harte wirtschaftliche und diplomatische Sanktionen zu ergreifen. Als Standort der Erdgaspipeline Nordstream 2 mit Sitz in Zug, die Europa mit Russland verbindet, habe die Schweiz eine besondere Verantwortung.
GLP-Nationalrat Beat Flach, Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission, ist überzeugt, dass sich Wladimir Putin nicht mit zwei kleinen ukrainischen Grenzprovinzen begnügen wird. Der russische Präsident wolle Europa destabilisieren, solange er die wirtschaftlichen Mittel dazu noch habe. Was Putin einmal habe, gebe er nicht wieder her.
SVP stört sich an «Twitter-Diplomatie»
Während die Grünen allgemein fordern, dass der Bundesrat Sanktionen gegen die russische Führung ergreife, stösst sich die SVP an der Reaktion des EDA: Sie kritisiert dessen Verurteilung der russischen Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken von Donezk und Luhansk in der Ostukraine als «Twitter-Diplomatie». Diese von «geltungssüchtigen Diplomaten» artikulierten Stellungnahmen schadeten der Neutralität der Schweiz und müssten aufhören, schreibt die SVP auf Twitter.
Schweizerische Gasindustrie befürchtet keine Lieferausfälle
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Der Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) befürchtet keine Lieferausfälle wegen der Ukraine-Krise. Der Konflikt könnte sich aber auf die Gaspreise auswirken, sagte VSG-Sprecher Thomas Hegglin im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Aber dass es zu Engpässen kommen werde, glaube er nicht.
«Die Schweiz ist sehr gut ins internationale Gasfernleitungsnetz eingebunden, was die Versorgungssicherheit grundsätzlich erhöht», sagte Hegglin. Die Schweiz verfüge mit der Transitleitung, die durch das Land läuft, seit 2017 über die Möglichkeit des Umkehrflusses. Das heisst, Gas kann nicht nur von Norden nach Süden, sondern auch in umgekehrter Richtung fliessen. Die Schweiz sei damit in alle Himmelsrichtungen an die grossen Märkte angebunden.
Im Weiteren haben im Unterschied zu früher alle diese Märkte Zugang zu Flüssigerdgas (LNG). Das per Tankschiff gelieferte Gas eröffne zusätzliche Beschaffungsmöglichkeiten, auch wenn dies teurer sei, sagte Hegglin. Es gebe in der EU rund 40 LNG-Terminals, wo das Gas vom Tankschiff in die Pipelines eingespeist werde. «Das entschärft die Beschaffungsproblematik durch einen allfälligen Boykott von Russland.»
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