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Ukraine-Konflikt Was die EU tun kann – und was nicht

Die Verteidigungs- und Aussenminister der EU-Länder ringen im französischen Brest um ihre Rolle im Ukraine-Konflikt mit Russland. Der SRF-Korrespondent bei der EU in Brüssel, Charles Liebherr, weiss, wo die Probleme liegen.

Worum geht es? Ziel der EU-Aussenminister ist es, eine gemeinsame Linie im Ukraine-Konflikt zu finden. Der Auftrag des EU-Aussenbeauftragen Josep Borrell lautet, sich auf eine klare Position gegenüber Russland zu verständigen. Im Klartext bedeutet das: Es gibt noch immer keine gemeinsame Position innerhalb der EU. Und es reicht nicht, Russland mit wortreichen Warnungen einzuschüchtern. Beides zeigt, wie schwer sich die EU tut, im Ukraine-Konflikt mit einer Stimme zu sprechen.

Welche Rolle spielt die EU in dem Konflikt? Fakt ist: Es findet eine enge Absprache zwischen den federführenden USA und der EU statt – nachdem dies die EU lautstark eingefordert hat. Der Aussenbeauftragte Borrell ist letzte Woche nach Kiew gereist, einzelne EU-Länder haben ihre Position öffentlich gemacht. Dies entspricht dem normalen Vorgehen der EU, deren Aussenpolitik von den 27 Mitgliedstaaten gemeinsam definiert werden muss. Die EU bemüht sich im Ukraine-Konflikt also, am Ball zu bleiben.

Als Wirtschaftsraum durchaus eine Macht

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Die EU tut derzeit nicht sehr viel, um ihre Glaubwürdigkeit als Machtfaktor in Osteuropa zu steigern. Es fehlt eine kohärente Verteidigungs- und Aussenpolitik, die 27 EU-Staaten müssen sich in jeder Frage immer wieder neu abstimmen. Die EU ist kein homogener Machtblock, nur wenige Mitglieder finden sich auf einem gemeinsamen Nenner. Trotzdem: Als Wirtschaftsraum und -macht ist die EU – auch für Russland – von grosser Bedeutung. Eine gewisse Macht kann die EU deshalb durchaus ausspielen – in der Kombination aus Wirtschafts- und Aussenpolitik. (chli)

Was tut die EU für die Ukraine? Derzeit ist die EU quasi dazu verdammt, vor allem die diplomatische Karte zu spielen. Grundsätzlich ist die EU durch diverse Abkommen mit der Ukraine verbunden, das Land ist auch Teil des östlichen Partnerschaftsprogramms und profitiert so von Geld aus Brüssel zur Stärkung des Rechtsstaats. In Bezug auf Russland ist die EU eine sehr wichtige Verbündete der Ukraine. Moskau dagegen versucht genau das zu verhindern – dass die EU mehr Einfluss in der Region gewinnt.

Borrell.
Legende: EU-Aussenbeauftragter Josep Borrell hat einen schwierigen Job: 27 EU-Länder mit 27 unterschiedlichen Haltungen unter einen Hut zu bringen. Reuters

Was erwartet die Ukraine von der EU? Das Land möchte eine Perspektive zum Beitritt zur EU – was die EU auch auf längere Sicht aber nicht erfüllen kann. Deshalb bleibt das Verhältnis zwischen Brüssel und Kiew strukturell belastet. In der EU gilt derzeit die Devise: Keine Erweiterung, solange nicht institutionelle Reformen verwirklicht sind. Die Union mit mittlerweile 27 Mitgliedstaaten ist schon jetzt träge bei Entscheiden in vielen Bereichen – gerade in der Aussenpolitik. Insofern befindet sich die Ukraine in einer ähnlichen Position wie die Länder des Westbalkans.

Was würde die EU bei einem russischen Einmarsch tun? Die Möglichkeiten sind sehr beschränkt – auch wenn die EU im Einklang mit den USA versprochen hat, in einem solchen Fall «beispiellose Sanktionen» zu ergreifen. Was das bedeutet, weiss man nicht genau. Die Vorstellungen dazu gehen unter den EU-Staaten wohl weit auseinander – da gibt es noch einiges zu klären.

SRF 4 News aktuell vom 13.1.2022, 06.50 Uhr ; 

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