Die türkische Armee kämpft in Syrien gegen die Kurden – mit Panzern aus deutscher Produktion. Das sorgt in Berlin für heftige Diskussionen, denn wegen der Kämpfe in Nordsyrien befinden sich Tausende Zivilisten auf der Flucht. Die deutschen Panzer in Syrien setzen aber auch die Regierung unter Druck, denn sie hat deren Verkauf an die Türkei erlaubt. Peter Voegeli, SRF-Korrespondent in Berlin, über die Gründe für die Debatte.
SRF News: Warum ist gerade dieser Fall von Panzerverkäufen umstritten? Immerhin exportiert Deutschland Kriegsmaterial an viele Nato-Partner.
Peter Voegeli: Eigentlich sind Rüstungsexporte an Nato-Partner kein Problem. Aber diese Panzer sind auch im Einsatz gegen Kurden – zwar in Syrien, aber letztlich aus innenpolitischen Gründen. Es gibt Experten, die sagen, das sei völkerrechtswidrig. Man dürfe diese Panzer dort nicht einsetzen.
Eigentlich sind Rüstungsexporte an Nato-Partner kein Problem. Aber in diesem Fall sind diese Panzer auch im Einsatz gegen Kurden.
Ein weiterer Grund ist, dass die USA und Deutschland die Kurden im Kampf gegen den IS unterstützen. In Erbil unterstützt Deutschland die Kurden mit der Panzerabwehrwaffe «Milan». Und man hat den Eindruck, Berlin werde die auf Eis gelegte, von der Türkei gewünschte Aufrüstung der «Leo 2»-Panzer im Austausch gegen den seit fast einem Jahr inhaftierten Journalisten Deniz Yücel aufgreifen. Dieser erklärte allerdings unlängst, er wolle nicht im Gegenzug für einen deutsch-türkischen Rüstungsdeal freigelassen werden.
Welche Auflagen hat Deutschland bei den «Leo 2»-Panzern gemacht, die nun in Syrien eingesetzt werden?
Die Türken dürfen diese Panzer weder verkaufen noch verschenken. Aber ansonsten gibt es, anders als beim «Leo 1», keine Einschränkungen.
Kann Deutschland überhaupt etwas dagegen unternehmen, dass sie auf syrischem Boden gegen Kurden eingesetzt werden?
Faktisch nicht. Präsident Recep Tayyip Erdogan macht sowieso, was er will. Der einzige Hebel, den Deutschland hat, ist, dass die Türkei eine Nachrüstung der «Leo 2» wünscht, um die Panzer besser gegen Minen zu schützen. Diese Nachrüstung kann Deutschland wieder auf Eis legen.
Hat der Streit um diese Kriegsmaterialexporte Einfluss auf die Koalitionsverhandlungen in Deutschland?
Direkt nicht. Aber die Glaubwürdigkeit der SPD ist einmal mehr untergraben, und das dürfte den Gegnern einer grossen Koalition innerhalb der SPD Auftrieb geben. Drei Beispiele: Im Wahlkampf hatte der Parteivorsitzende Martin Schulz gesagt, wir sind gegen eine Aufrüstung, aber die Erhöhung des Wehretats um acht Prozent hatte die SPD in der grossen Koalition mitbeschlossen.
Die SPD sagt immer, wir wollen Rüstungsexporte begrenzen, aber die Rüstungsexporte waren unter der grossen Koalition grösser als unter der schwarz-gelben Koalition davor.
Das 2-Prozent-Ziel bei der Aufrüstung des europäischen Teils der Nato war eine europäische Erfindung, mitgetragen vom damaligen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier, auch er ein Sozialdemokrat. Die SPD sagt immer, wir wollen Rüstungsexporte begrenzen, aber die Rüstungsexporte waren unter der grossen Koalition grösser als unter der schwarz-gelben Koalition davor. Sogar die Exporte in Länder, die nicht der Nato angehören, sind gestiegen.
Und dann gibt es noch dieses «Geschmäckle»: Das Gefühl, dass die deutsche Regierung vielleicht noch irgendeinen Deal plant, um Yücel freizubekommen.
Das Gespräch führte Eliane Leiser.