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Umstrittenes Insektengift «Bienenkiller» bleibt in Frankreich verboten – nach viel Wirbel

Nach wochenlangen Protesten und einer Petition hat der französische Verfassungsrat entschieden, dass das Insektengift Acetamiprid weiterhin verboten bleibt.

Es war ein langer Prozess, doch seit dem 12. August hat Frankreich ein neues Gesetz, das Landwirten endlich Erleichterung in bürokratischen Prozessen verspricht. Eigentlich eine tolle Sache.

Dennoch hat kaum ein Gesetz in den letzten Jahren für so viel Aufregung gesorgt. Es war die Wiedereinführung eines in Frankreich seit sieben Jahren verbotenen Insektenkillers, des Pestizids Acetamiprid, die in Frankreich sowohl Parlamentarier als auch Bürgerinnen und Bürger in Aufruhr versetzte. Das Pestizid wird vor allem in der Zuckerrübenindustrie zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Doch seit 2018 ist es in Frankreich verboten: Französische Wissenschaftlerinnen warnen vor einem potenziellen Krebsrisiko im Zusammenhang mit Acetamiprid.

Der Verfassungsrat musste entscheiden

Nachdem das Gesetz ursprünglich am 8. Juli in der Nationalversammlung verabschiedet worden war, haben 60 Senatorinnen und Senatoren sowie Abgeordnete an den Verfassungsrat, den Conseil Constitutionnel, appelliert.

Plakat vor dem Conseil Constitutionnel in Paris.
Legende: Der Conseil Constitutionnel wird immer dann hinzugezogen, wenn Verdacht besteht, dass ein Gesetz gegen die französische Verfassung verstösst. Seine Beschlüsse sind endgültig – der Rat ist die höchste verfassungsrechtliche Instanz Frankreichs. SRF

Am 7. August gab der Verfassungsrat seinen endgültigen Entscheid bekannt: Das Gesetz darf in Kraft treten – aber das Pestizid Acetamiprid bleibt weiterhin verboten.

«Der Druck auf die Politik funktioniert»

Vor dem Sitz des Verfassungsrats versammelten sich daher letzte Woche Mitglieder von Umwelt- und Krebshilfeorganisationen und spendeten kräftigen Applaus. Der höchstinstanzliche Einspruch gegen die Wiedereinführung des Pestizids ist für sie ein echter Sieg.

Frau draussen bei einer Versammlung unter Bäumen.
Legende: Fleur Breteau, Sprecherin des Krebshilfevereins «Cancer Colère» bezeichnete die Entscheidung als hochgradig symbolische Geste. «Es beweist, dass unser Druck auf die Politik funktioniert.» SRF

Der grösste Druck kam in diesem Fall aber weder vom Parlament noch von NGOs: Es war die Bevölkerung. Nicht wie sonst in Frankreich üblich durch Massendemonstrationen auf der Strasse. Es war eine Online-Petition, die innerhalb weniger Wochen ein geradezu historisches Ausmass angenommen hat: Über zwei Millionen Menschen haben unterschrieben.

Politikwissenschaftler Arnaud Mercier sieht in dieser Mobilisierung ein wichtiges Signal, das die Entscheidung des Verfassungsrats beeinflusst hat: «Der Verfassungsrat musste abwägen zwischen Rechtsprinzipien und der öffentlichen Meinung. Seine jetzige Entscheidung trägt der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung Rechnung, die gegen das Gesetz sind.» 

Keine Freude bei Zuckerrübenbauern

Aber nicht überall stösst die Entscheidung des Verfassungsrats auf ein so positives Echo: Französische Landwirtschaftsvertretungen sind in Sorge, dass sie ohne den Insektenvernichter den Schädlingen und der ausländischen Konkurrenz weiterhin schutzlos ausgeliefert sind. Denn in der EU ist Acetamiprid unter Auflagen weiter erlaubt. 

Luftaufnahme von Traktoren bei der Rübenernte auf einem Feld.
Legende: Die Zuckerrübenbauern sind mit dem Entscheid gar nicht einverstanden – sie befürchten einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil. REUTERS / Pascal Rossignol

Christian Convers, Generalsekretär der Gewerkschaft «Coordination Rurale», fürchtet um die Zukunft des Zuckerrübenanbaus in ganz Frankreich. Denn Acetamiprid wurde vor seinem Verbot 2018 auch in Frankreich weitgehend zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt. «Der Entscheid des Verfassungsrats bringt einen ganzen Landwirtschaftszweig in Gefahr. Wer weiss, ob die Zuckerfabriken in Nordfrankreich morgen von Franzosen oder Deutschen betrieben werden oder ob sie endgültig geschlossen werden. Dass hier die Ideologie siegt, finde ich sehr bedenklich.»

Das Gesetz ist jetzt in Kraft, der Bienenkiller bleibt verboten. Zwischen der Regierung und der Landwirtschaft sind die Wogen somit noch lange nicht geglättet.

Tagesschau, 18.8.2025, 19:30 Uhr; wilh

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