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Umsturz in Westafrika Der Putsch in Mali ist ein schlechtes Zeichen für die Sahel-Zone

Die Militärs in Mali versprechen die Macht in einem «vernünftigen Zeitraum» an Zivilisten abzugeben und Wahlen durchzuführen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Für viele Malierinnen und Malier war das Einschreiten des Militärs eine Erleichterung. Seit Wochen war das Land praktisch lahmgelegt durch die politische Krise. Das Demonstrieren trug keine Früchte – Regierung und Opposition waren nicht bereit, sich zu einigen. Ein Einschreiten der Armee war absehbar, umso mehr, als dass Mali Erfahrung hat mit Militärputschs. Das ist bereits der vierte in der 60-jährigen Geschichte des Landes.

«Die Macht muss zurück zu den Zivilisten»

Jedes Mal habe das Militär die Macht schnell wieder abgegeben. Darum sei die Ansage der Putschisten glaubwürdig, ist Ibrahim Maiga vom Sicherheitsinstitut in Bamako überzeugt. «Die Militärs sind sich bewusst, dass die Macht zurück zu den Zivilisten muss.» Besonders die Sanktionen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft würden Mali zu hart treffen. Diese drohte alle Finanz- und Warenströme ins Land zu stoppen. Und auch die Afrikanische Union, die EU und die UNO verurteilten den Putsch.

Doch selbst, wenn die Soldaten die Macht abgeben, stellt sich die Frage: An wen? An die Anführer des M5-RFP – jene Koalition, die in den letzten Monaten zu den grossen Massenprotesten aufgerufen hat? Die äusserst heterogene Koalition vereint alle möglichen Gruppierung: religiöse Führer ebenso wie die Zivilgesellschaft. Oder eher an andere Personen der bisherigen politischen Elite?

«Das ist eine sehr gute Frage», sagt Politbeobachter Maiga. Er könne heute noch keine Namen nennen. Man müsse aber daran denken, dass gerade die Uneinigkeit und die Gräben innerhalb der Opposition erst dazu geführt hätten, dass das Militär eingegriffen habe. So bleibe nur zu hoffen, dass der Putsch nun dazu führe, dass sich die politische und gesellschaftliche Elite des Landes zusammenraufe, um die politische Krise im Land zu überwinden.

Situation seit Jahren instabil

Für die Sicherheitslage in Mali allerdings bedeutet der Staatsstreich nichts Gutes. Seit Jahren ist die Situation im Norden des Landes instabil, es kommt immer wieder zu Anschlägen von Dschihadisten und Banditen. Der Putsch könnte diese Krise gar verschlimmern, sagt Baba Dakono, der ein Bürger-Observatorium in Bamako leitet.

«Wenn der Umsturz die Kommandoketten innerhalb des Militärs durcheinanderbringt, so wie das beim Putsch 2012 der Fall war, dann wäre das verheerend», sagt Dakono. 2012 habe das im Norden des Landes zum Verlust der grossen Städte an die Aufständischen geführt. Chaos herrschte damals innerhalb der Armee und das könne auch dieses Mal dazu führen, dass die Terroristen im Norden gestärkt werden.

Schlechtes Zeichen für die Sahel-Region

Darum ist der Putsch in Mali auch kein gutes Zeichen für die gesamte Sahel-Region. Denn die Sicherheitskrise, die 2012 in Mali ihren Ursprung nahm, hat sich längst in der ganzen Sahel-Zone ausgebreitet. Seither versuchen die umliegenden Länder gemeinsam mit Frankreich die Terroristen zu bekämpfen.

Nun stellt sich die Frage, ob es in Mali noch glaubwürdige Ansprechpartner für die Nachbarländer gibt und ob dieser Staatsstreich Auswirkungen auf die gemeinsamen Militäraktionen haben könnte. Umso mehr, als dass bis Ende Jahr in diversen westafrikanischen Ländern Wahlen anstehen. Mali geht nun mit dem schlechten Beispiel voran, dass man politische Uneinigkeiten militärisch schlicht wegputschen kann.

Echo der Zeit, 19.8.2020, 18 Uhr

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