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Unabhängigkeitstag Ukraine Die Ukraine feiert pompös – und setzt ein Zeichen gegen Russland

Vor 30 Jahren zerfiel die Sowjetunion. In dieser Zeit erlebte die Ukraine immer wieder politische Turbulenzen. Am Dienstag feiert die Ukraine die Unabhängigkeit – in einer grösseren Form als in vergangenen Jahren. David Nauer, Russland-Korrespondent, zum Zweck dieser riesigen Parade.

SRF News: Wie können wir uns den Unabhängigkeitstag in Kiew vorstellen?

David Nauer: Es gibt Veranstaltungen und Konzerte im ganzen Land. Für viele Ukrainerinnen und Ukrainer ist dieser Tag wichtig. Viele besuchen Verwandte oder Freunde. Es wird opulent gefeiert. Vielleicht auch, weil die Ukraine mit 30 Jahren ein relativ junger, unabhängiger Staat ist und immer wieder um die Unabhängigkeit kämpfen muss.

Der heutige 24. August wird zum ersten Mal seit Wolodimir Selenski Präsident ist von einer grossen Militärparade begleitet. Was will er damit erreichen?

Es geht darum, militärische Stärke zu zeigen, dem eigenen Volk und dem grossen Nachbarn Russland. Die Ukraine ist mit Russland seit Jahren in einen unerklärten Krieg im Osten verwickelt. Selenski lässt am heutigen Tag ziemlich alles auffahren, was die Ukraine militärisch zu bieten hat. Da werden über die Kiewer Prachtstrasse Kreschatik Sondereinheiten marschieren, Panzer rollen, am Himmel sind Kampfflugzeuge unterwegs und auf dem Fluss Dnepr soll die ukrainische Marine auffahren. Das ist bemerkenswert, denn eigentlich hat Selenski von solchen Protzereien mit Waffen überhaupt nichts gehalten.

Am Montag fand die Krim-Plattform statt, nun folgt die Militärparade. Welches Zeichen will Selenski damit gegenüber Russland setzen?

Er will den Russen in gewisser Weise die Stirn bieten oder unterstreichen, dass die Ukraine Ressourcen hat. Selenski hat sich verändert in den letzten Jahren. Er war vor seiner Wahl ein Komiker, der dachte, man muss mit den Leuten, auch mit Putin, einfach nur reden, um Probleme zu lösen.

Nun bietet Selenski offenbar keine Kompromisse mehr an und will eine Art Gegendruck aufbauen.
Autor:

Nun hat sich gezeigt, dass die Russen nicht so kompromissbereit sind. Die Krim wollen sie nicht zurückgeben. Die Separatisten im Osten des Landes unterstützen sie weiter mit Waffen und Geld. Nun bietet Selenski offenbar keine Kompromisse mehr an und will eine Art Gegendruck aufbauen. 

Menschen, vor allem Männer, sitzen um einen riesigen Tisch am Krim-Gipfel.
Legende: Über 40 Staaten nahmen an der Krimplattform teil. Auch die Schweiz war vertreten. Keystone

Wie kommt diese Machtdemonstration in Russland an?

Staatliche russische Medien machen sich lustig über diese Parade. Die Ukrainer würden nur so tun, als seien sie unabhängig, heisst es etwa. Auch militärisch nehmen die Russen die Ukraine nicht ernst. Was die Krim-Konferenz betrifft, haben Offizielle in Moskau sehr gereizt reagiert.

Eine unabhängige und nach Westen orientierte Ukraine will man in Moskau nicht akzeptieren oder mindestens bekämpfen.
Autor:

Aussenminister Sergej Lawrow nannte den Anlass einen Hexensabbat und behauptete, in Kiew seien Neonazis am Werk. Der Kreml hält an seiner Linie fest, dass die Krim russisch bleiben soll. Eine unabhängige und nach Westen orientierte Ukraine will man in Moskau nicht akzeptieren oder mindestens bekämpfen.

Muss sich die Ukraine künftig vor einem noch grösseren russischen Machtanspruch fürchten?

Die Russen haben diesen Frühling massiv Truppen an der ukrainischen Grenze aufmarschieren lassen. Einige Leute haben befürchtet, dass der Kreml einen Vorwand für einen Angriff auf die Ukraine sucht. Das ist zum Glück nicht passiert. Allerdings versucht Putin, ideologisch das Feld für russische Ansprüche auf die Ukraine zu bereiten. Putin hat vor ein paar Wochen einen historischen Artikel veröffentlicht, in dem er behauptet, die Ukrainer und die Russen seien ein Volk und er hat die Grenzen der modernen Ukraine infrage gestellt. Das tönt aus ukrainischer Sicht bedrohlich.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

SRF 4 News, 24.08.2021, 06:43 Uhr ; 

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