- Seit einigen Tagen geht Libyen mit mehr Druck gegen Flüchtlinge und Hilfsschiffe vor.
- Die libysche Küstenwache hat ihr eigenes Kontrollgebiet massiv ausgeweitet. So werden Flüchtlinge daran gehindert, übers Mittelmeer nach Italien zu gelangen.
- Das UNO-Flüchtlingskommissariat nimmt gegenüber SRF News Stellung zur «Sperrzone Mittelmeer».
SRF News: Was halten Sie von der Ausweitung der Kontrollzone durch die libysche Küstenwache?
William Spindler: Wir erwarten eine Erklärung der libyschen Behörden, was diese «Search and Rescue»-Zone vor der Küste bedeutet. Wir wollen auch wissen, was die Zugangsbeschränkung zu dieser Zone für die Rettungsschiffe der Nichtregierungsorganisationen heisst.
Die NGOs verurteilen die Erweiterung dieser Such- und Rettungszone als Verstoss gegen internationales Recht. Stimmen Sie dem zu?
Es ist noch zu früh, um ein Urteil abzugeben. Es hängt sehr davon ab, was in dieser Zone genau passiert. Wie gesagt, wir erwarten Erklärungen von den libyschen Behörden.
Alle reden von den Gefahren auf dem Mittelmeer, dabei sterben viele bereits auf dem Weg nach Libyen durch die Wüste.
Haben Sie Verständnis dafür, dass Italien zufrieden damit ist, wenn weniger Flüchtlinge ins Land kommen?
Italien hat viele Flüchtlinge und Migranten aufgenommen. Das Land ist zum Eingangstor von Europa geworden. Italien braucht Hilfe von der EU, um mit der Situation umgehen zu können. Aber jene Menschen, die vor Verfolgung und Krieg flüchten, haben keine Wahl. Man kann sie nicht einfach stoppen. Diese Menschen werden andere Wege finden, um in Sicherheit zu kommen. Wir müssen ihnen dafür legale Wege anbieten können.
Von der EU kommen keine Signale. Was müsste sie machen?
Brüssel müsste dafür sorgen, dass Flüchtlinge auf sicheren Wegen legal nach Europa reisen können. Es braucht Programme, um Familien zusammenzuführen und anzusiedeln und sie bei ihrer Integration zu unterstützen. All diese Programme gibt es bereits, sie müssen bloss umgesetzt werden. Aber nochmals: Flüchtlinge sollen nicht mehr auf gefährlichen Routen reisen müssen, auf denen viele ihr Leben verlieren.
Wie kann man mit Libyen zusammenarbeiten – einem gescheiterten Staat?
Wir müssen in den Lagern in Libyen bessere Bedingungen schaffen, die Flüchtlinge werden dort richtiggehend gefangen gehalten. Es braucht Zentren, wo sich Flüchtlinge Hilfe und Beratung holen können. Auffallend ist, dass alle von den Gefahren auf dem Mittelmeer reden, dabei sterben viele bereits auf dem Weg nach Libyen durch die Wüste. Wir müssen auch diese Wege sicherer machen, respektive dafür sorgen, dass Menschen auch in den Transitländern ein anständiges Leben führen können und nicht diese gefährliche Reise auf sich nehmen.
Libyen ist kein sicheres Land, um Menschen dorthin zurück zu schicken.
Können die internationalen Hilfsorganisationen und die UNO den Flüchtlingen in Libyen konkrete Hilfe leisten.
Wir arbeiten unter sehr schwierigen Bedingungen in Libyen. Die Sicherheit ist nicht gewährleistet. Es gibt keine regelmässige internationale Präsenz dort. Wir arbeiten hauptsächlich mit libyschen Mitarbeitern. Manchmal ist es sogar für sie zu gefährlich und das bedeutet, dass sie ihr Haus nicht verlassen können und von dort aus zu arbeiten versuchen. Deshalb sagen wir, dass Libyen kein sicheres Land ist, um Menschen dorthin zurück zu schicken.
Gleichzeitig versuchen wir aber, die Bedingungen dort zu verbessern. Wir versuchen dafür zu sorgen, dass die Flüchtlinge aus den Gefangenenlagern freigelassen werden. Die EU kann bei der Hilfe in Libyen eine wichtige Rolle spielen. Aber sie soll ihre Unterstützung darauf konzentrieren, dass die Menschen nicht in Libyen festgehalten werden und nicht weiterkommen.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.