Nach rund zweiwöchigen Verhandlungen haben sich die Teilnehmer des UNO-Biodiversitätsgipfels im kanadischen Montreal auf eine Abschlusserklärung geeinigt. Darin stellen sich die rund 200 Staaten unter anderem das Ziel, mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen bis 2030 unter Schutz zu stellen.
Umweltschützerinnen und -schützer haben in Montreal auf einen «Paris-Moment» für die Biodiversität gehofft. Darauf also, dass die Staaten hier einen ähnlich grossen Schritt machen im Kampf gegen den Verlust der Artenvielfalt, wie derjenige, den sie damals 2015 in Paris für den Klimaschutz machten.
Ein Wendepunkt wie Paris 2015?
Tatsächlich könnte die Vereinbarung, die heute im französischsprachigen Kanada geschlossen wurde, einen vergleichbaren Wendepunkt markieren. Aber es gilt auch zu relativieren: Erstens weist die neue Übereinkunft, der sogenannte Kunming-Montreal-Zielrahmen für die Biodiversität, anders als das Pariser Klima-Abkommen keine gesetzlich bindenden Elemente auf.
Zweitens sind die Unterziele, die dem Hauptziel dienen sollen, den Verlust der Artenvielfalt bis 2030 zu stoppen, aus Sicht vieler Nichtregierungsorganisationen ungenügend. Drittens gibt es keine Sanktionen, wenn ein Land nicht wie vereinbart seine Biodiversitätsziele regelmässig aufdatiert, geschweige denn, wenn es sich nicht an sie hält. Und viertens scheint jetzt schon klar, dass die 30 Milliarden Dollar, die Industrieländer den Ländern des globalen Südens bis 2030 jährlich für den Biodiversitätsschutz zur Verfügung stellen sollen, nicht genügen werden.
Doch die Hoffnung stirbt zuletzt: Trotz alldem könnte die neue Übereinkunft ein historisches Ziel erreichen – nämlich das Problem des fortschreitenden Biodiversitätsverlusts in der breiten Öffentlichkeit verankern.
Das Ziel: 30 Prozent bis 2030
Seit heute hat die Staatengemeinschaft nämlich ein Ziel, das einfach verständlich und messbar ist: Bis 2030 sollen 30 Prozent der Flächen im Wasser und auf dem Land geschützt werden.
Dies ist ähnlich eingängig wie das anderthalb Grad-Ziel im Klimaschutz. Zudem haben sich die Staaten in Montreal auf ein Set von Indikatoren geeinigt, gemäss denen jedes Land den Artenschutz messen soll und dank denen die Fort- und die Rückschritte weltweit öffentlich gemacht werden können.
Einzelne Staaten sind gefordert
Der Erfolg der neuen Übereinkunft entscheidet sich in den Ländern selbst. Diese sind nun gefordert, Massnahmen zu ergreifen, Schutzgebiete zu definieren, Biodiversität-schädigende Subventionen abzubauen und Investitionen neu auszurichten.
Das wird politisch harte Arbeit, die – gerade auch in der Schweiz – nur gelingen kann, wenn klar wird, dass sowohl im Klima- als auch im Artenschutz vorbeugen besser und günstiger ist, als heilen. Insbesondere wenn Arten- und Klimaschutz gemeinsam angegangen werden –wenn also klar wird, dass vielfältige, intakte Wälder mehr Kohlendioxid speichern und dass gesunde Böden widerstandsfähiger gegen Dürren sind. Kurz: Wenn Montreal und Paris ab sofort gemeinsam gedacht werden.