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UNO-Generalsekretär Das Gerangel um Guterres’ Nachfolge hat begonnen

Wer folgt 2027 auf den Portugiesen? Viele fordern erstmals eine Frau an der UNO-Spitze. Mächtige Länder sehen das anders.

Eigentlich wäre die Wahl eines UNO-Generalsekretärs eine simple Sache: Der Sicherheitsrat unterbreitet der Generalversammlung Vorschläge und sie wählt dann den obersten UNO-Chef. Tatsächlich ist es etwas komplizierter.

Denn es gibt ungeschriebene Regeln: So soll ein Generalsekretär nicht aus einem der fünf ohnehin schon mächtigen Veto-Länder stammen. Und es gibt Ansprüche der Ländergruppen. An der Reihe wären diesmal die lateinamerikanischen und karibischen Staaten.

Dazu kommt, dass der Sicherheitsrat der Generalversammlung jeweils nur eine Kandidatur unterbreitet. Das höchste Gremium hat also gar keine echte Wahl. Schliesslich wird immer lauter verlangt, 80 Jahre nach der UNO-Gründung müsse an deren Spitze endlich einmal eine Frau stehen.

Kritik an der undurchsichtigen Kandidatenkür

Viele Länder kritisieren die heutige Wahlpraxis. Der rumänische UNO-Botschafter etwa fordert ein breit abgestütztes Verfahren. Sein norwegischer Amtskollege möchte Kandidaturen, die alle Mitgliedsländer repräsentieren.

Antonio Guterres läuft einer Wand entlang am Hauptsitz der UNO in New York.
Legende: António Guterres beendet seine zwei vierjährigen Amtszeiten als UNO-Generalsekretär erst Ende 2026. Doch schon jetzt wird heftig darum gerungen, wer sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin an der Spitze der UNO werden könnte. REUTERS/Eduardo Munoz

2016, als Guterres gewählt wurde, gelang eine Öffnung des Prozesses. Anwärterinnen und Anwärter mussten sich Anhörungen in der Generalversammlung stellen. «Das war eine gute Sache», findet Louis Charbonneau, UNO-Spezialist bei der Menschen­rechts­organisation Human Rights Watch.

«Denn das sorgte für Druck auf den Sicherheitsrat, jemanden zur Wahl vorzuschlagen, der gut abgeschnitten hat und nicht einfach, wie zuvor üblich, eigenmächtig jemanden aus dem Hut zu zaubern.» Charbonneau fürchtet aber, dass es diesmal wieder weniger transparent abläuft.

Mächtige Länder wollen schwachen UNO-Chef

Box aufklappen Box zuklappen

«Die Veto-Mächte wollen weiterhin das Sagen haben», sagt Richard Gowan von der Denkfabrik International Crisis Group. Und Dulcie Leimbach, die Gründerin des auf die UNO spezialisierten Blogs «Passblue», ergänzt: «Die Vetomächte beharren ganz ungeniert darauf, den Auswahlprozess zu kontrollieren.» Das hat Folgen. Zumal gerade mächtige Länder keinen starken Generalsekretär wollen. Schwache Persönlichkeiten werden bevorzugt; solche, die der UNO wieder mehr Gewicht verleihen könnten, haben es schwerer.

Vier der fünf Vetomächte – die USA, Russland, China und Grossbritannien – wollen das Rad zurückdrehen; nur Frankreich ist offener. Erst recht nichts wissen wollen sie von Vorwahlen in der Generalversammlung. Sie lehnen es auch ab, der Generalversammlung eine echte Kandidatenauswahl vorzuschlagen.

Wohl keine Generalsekretärin

Weil jede Vetomacht eine missliebige Kandidatin oder einen Kandidaten verhindern kann, sind auch die Chancen für eine erste Frau an der UNO-Spitze bescheiden. Zwar fordern das immer mehr Regierungen und Nicht­regierungs­organisationen. Doch Dulcie Leimbach, Gründerin des auf die UNO spezialisierten Blogs «Passblue», beurteilt die Aussichten als trüber und trüber.

Rafael Grossi, Chef der Atombehörde IAEA, nimmt an einer Sitzung mit Vladimir Putin teil.
Legende: Schielt auf den Posten als UNO-Generalsekretär: Rafael Grossi, derzeitiger Chef der UNO-Atombehörde IAEA. REUTERS/Ramil Sitdikov/Pool

«Aus der US-Regierung von Donald Trump kommen Signale, man wolle keine Frau wählen», sagt Richard Gowan von der International Crisis Group. Und sei es nur, um all die Liberalen in der Welt zu ärgern, die für Gleichberechtigung eintreten. Abwehr gibt es auch aus Russland. China hält sich bedeckt.

Anscheinend sind die ablehnenden Signale aus Washington und Moskau so deutlich, dass sich bisher keine qualifizierte Frau offen zu einer Kandidatur bekennt. Wohl aber ein Mann: Rafael Grossi, Chef der UNO-Atombehörde IAEA.

«Die Amerikaner verlangen zudem einen der jetzigen US-Politik nahestehenden, konservativen und israelfreundlichen Kandidaten», sagt Gowan. Sowohl das Auswahlverfahren als auch die Präferenzen mehrerer UNO-Vetomächte stehen also der Wahl einer starken Figur, einer Frau und der bestqualifizierten Person entgegen.

Echo der Zeit, 5.10.2025, 18 Uhr

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