Eigentlich wäre die Wahl eines UNO-Generalsekretärs eine simple Sache: Der Sicherheitsrat unterbreitet der Generalversammlung Vorschläge und sie wählt dann den obersten UNO-Chef. Tatsächlich ist es etwas komplizierter.
Denn es gibt ungeschriebene Regeln: So soll ein Generalsekretär nicht aus einem der fünf ohnehin schon mächtigen Veto-Länder stammen. Und es gibt Ansprüche der Ländergruppen. An der Reihe wären diesmal die lateinamerikanischen und karibischen Staaten.
Dazu kommt, dass der Sicherheitsrat der Generalversammlung jeweils nur eine Kandidatur unterbreitet. Das höchste Gremium hat also gar keine echte Wahl. Schliesslich wird immer lauter verlangt, 80 Jahre nach der UNO-Gründung müsse an deren Spitze endlich einmal eine Frau stehen.
Kritik an der undurchsichtigen Kandidatenkür
Viele Länder kritisieren die heutige Wahlpraxis. Der rumänische UNO-Botschafter etwa fordert ein breit abgestütztes Verfahren. Sein norwegischer Amtskollege möchte Kandidaturen, die alle Mitgliedsländer repräsentieren.
2016, als Guterres gewählt wurde, gelang eine Öffnung des Prozesses. Anwärterinnen und Anwärter mussten sich Anhörungen in der Generalversammlung stellen. «Das war eine gute Sache», findet Louis Charbonneau, UNO-Spezialist bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
«Denn das sorgte für Druck auf den Sicherheitsrat, jemanden zur Wahl vorzuschlagen, der gut abgeschnitten hat und nicht einfach, wie zuvor üblich, eigenmächtig jemanden aus dem Hut zu zaubern.» Charbonneau fürchtet aber, dass es diesmal wieder weniger transparent abläuft.
Vier der fünf Vetomächte – die USA, Russland, China und Grossbritannien – wollen das Rad zurückdrehen; nur Frankreich ist offener. Erst recht nichts wissen wollen sie von Vorwahlen in der Generalversammlung. Sie lehnen es auch ab, der Generalversammlung eine echte Kandidatenauswahl vorzuschlagen.
Wohl keine Generalsekretärin
Weil jede Vetomacht eine missliebige Kandidatin oder einen Kandidaten verhindern kann, sind auch die Chancen für eine erste Frau an der UNO-Spitze bescheiden. Zwar fordern das immer mehr Regierungen und Nichtregierungsorganisationen. Doch Dulcie Leimbach, Gründerin des auf die UNO spezialisierten Blogs «Passblue», beurteilt die Aussichten als trüber und trüber.
«Aus der US-Regierung von Donald Trump kommen Signale, man wolle keine Frau wählen», sagt Richard Gowan von der International Crisis Group. Und sei es nur, um all die Liberalen in der Welt zu ärgern, die für Gleichberechtigung eintreten. Abwehr gibt es auch aus Russland. China hält sich bedeckt.
Anscheinend sind die ablehnenden Signale aus Washington und Moskau so deutlich, dass sich bisher keine qualifizierte Frau offen zu einer Kandidatur bekennt. Wohl aber ein Mann: Rafael Grossi, Chef der UNO-Atombehörde IAEA.
«Die Amerikaner verlangen zudem einen der jetzigen US-Politik nahestehenden, konservativen und israelfreundlichen Kandidaten», sagt Gowan. Sowohl das Auswahlverfahren als auch die Präferenzen mehrerer UNO-Vetomächte stehen also der Wahl einer starken Figur, einer Frau und der bestqualifizierten Person entgegen.