Nepal erlebt schwere Unruhen, bislang sind mindestens 19 Menschen getötet worden. Ausgangspunkt der Unzufriedenheit war ein Verbot von Social-Media, das inzwischen von der Regierung zurückgenommen wurde. Die Hintergründe kennt SRF-Südasienkorrespondentin Maren Peters.
Wie ist die aktuelle Situation in Nepal?
Die Lage scheint sich beruhigt zu haben, nachdem die Demonstrierenden noch am Dienstagmorgen das Parlament, Häuser von Politikern und eine Parteizentrale angezündet hatten. Man sieht zwar immer noch Protestierende auf den Strassen, aber seit dem Rücktritt von Premierminister Oli gibt es keine Berichte mehr über Gewalt. Auch die Sicherheitskräfte halten sich im Gegensatz zum Montag zurück. Nach wie vor ist aber der Flughafen von Kathmandu geschlossen.
Warum hat ein Verbot von Social Media einen solchen Volkszorn verursacht?
Nach Meinung vieler, vor allem junger Leute, ging es dabei nicht wie von der Regierung behauptet, darum, gegen Hass, Kampagnen oder Cyberkriminalität auf Social Media vorzugehen. Vielmehr habe die Regierung die Meinungsfreiheit unterdrücken wollen. Der Hintergrund: In den letzten Wochen hatte eine Gruppe junger Leute, die sich «Generation Z Nepal» nennt, eine Onlinekampagne gegen die Kinder korrupter, nepalesischer Politiker und anderer Eliten lanciert. Diese lebten in Saus und Braus, während Millionen Nepali nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Deshalb hat die Regierung vermutlich versucht, mit dem Verbot von Social Media Kritiker und Kritikerinnen zum Schweigen zu bringen.
Weist die heftige Reaktion auf eine tiefere Krise in Nepal hin?
Ja. Sie zeigt, wie gross der Frust in der Bevölkerung ist. Insbesondere unter den jungen Nepali ist die Wut gross gegen die gesamte politische Klasse, gegen das korrupte System, gegen autoritäre Tendenzen. Nepal war bis 2008 eine Monarchie – bis der zunehmend autokratisch regierende König nach gewaltsamen Protesten zurücktreten musste. Mit ihm wurde auch die Monarchie abgeschafft. Doch die Demokratie, von der sich viele sehr viel versprochen hatten, ist bisher nicht sehr erfolgreich – und sehr instabil. Seit 2008 hat es 14 Regierungen gegeben und keine von ihnen hat ihre fünf Jahre Legislatur beendet. Und so haben im letzten März nicht wenige Nepalesen sogar eine Rückkehr zur Monarchie gefordert. Vor allem die Jungen sehen keine Zukunft und fordern einen Neuanfang, der aber mit der alten Generation Politiker nicht möglich ist.
Reichen die aktuellen Politiker-Rücktritte, um die Situation zu beruhigen?
Es hat zumindest gereicht, um die Lage kurzfristig zu stabilisieren. Aber es reicht sicher nicht, um das Vertrauen ins politische System wiederherzustellen. Dazu bräuchte es tiefgreifende Reformen und vermutlich auch eine Übergangsregierung aus Technokraten, die entsprechende Vorbereitungen trifft. Schliesslich ist es eine grosse Aufgabe, ein hoch korruptes politisches System zu reformieren. Das ist mit diversen Risiken behaftet, wie das Beispiel des Nachbarlandes Bangladesch zeigt: Dort musste die Regierung Anfang August 2024 nach langen Protesten von Studierenden zurücktreten. Doch selbst eine Interimsregierung unter Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus hat es bisher nicht geschafft, Ruhe ins Land zu bringen und freie und faire Wahlen vorzubereiten.