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Die Regierung hat wegen klammer Kassen nur wenig Spielraum
Aus HeuteMorgen vom 09.10.2019.
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Unruhen in Ecuador «Es droht ein noch viel grösserer Scherbenhaufen»

Die Krise in Ecuador verschärft sich, erneut sind Tausende zunehmend aufgebrachte Menschen auf die Strasse gegangen. Die Regierung hat den Ausnahmezustand verhängt.

Um eine Eskalation zu verhindern, müsse Präsident Lenín Moreno einen Teil der Benzinpreiserhöhung wohl zurücknehmen, sagt SRF-Südamerika-Korrespondent Ulrich Achermann.

Ulrich Achermann

Ulrich Achermann

Südamerika-Korrespondent, SRF

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Ulrich Achermann ist seit 2003 SRF-Korrespondent und berichtet über alle Länder Südamerikas. Er lebt in Santiago de Chile.

Weshalb protestieren vor allem Bauern und Indigene gegen die Benzinpreiserhöhung?

Der Preis für Diesel hat sich verdoppelt, jetzt befürchten die Bauern – und das sind meist Indigene – dass sich ihre landwirtschaftliche Produktion verteuert. Die Indigenen sind sich dabei durchaus ihrer politischen Macht bewusst. Mit Protesten haben sie in den vergangenen 25 Jahren schon drei Regierungen gestürzt.

Warum haben sich die Proteste gerade an der Aufhebung der Benzin-Subventionen entzündet?

Die Menschen in Ecuador haben sich seit den 1970er-Jahren daran gewöhnt, dass der Treibstoff staatlich subventioniert und damit billig ist. In Zeiten hoher Rohstoffpreise war das kein Problem für die Regierung. Doch inzwischen klafft in den Staatsfinanzen ein grosses Loch.

Die Staatsschulden haben sich innert Kürze verdoppelt.

Die Staatsschulden haben sich in den letzten fünf Jahren praktisch verdoppelt. Deshalb hatte Staatspräsident Lenín Moreno kaum eine andere Wahl, als die Benzinsubventionen abzuschaffen.

Ecuador – viertärmstes Land Südamerikas

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Ecuador mit knapp 14 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist nach Kaufkraft das viertärmste Land Südamerikas. Seine Wirtschaftsleistung ist vor allem von der Erdölindustrie abhängig. Sie macht wertmässig rund 60 Prozent aller Exporte aus. Ecuador beherbergt keine Raffinerien, Benzin und Diesel müssen deshalb importiert werden. Die Staatsverschuldung beträgt rund 45 Mrd. Dollar. Eine Senkung der Benzinsubventionen – sie schlugen bislang mit rund 1.4 Mrd. Dollar pro Jahr zu Buche – war eine Bedingung des Internationalen Währungsfonds (IWF) für einen kürzlich erhaltenen Kredit in Höhe von 4.2 Mrd. Dollar.

Ist die Benzinpreiserhöhung der einzige Grund, weshalb viele Ecuadorianerinnen und Ecuadorianer so unzufrieden sind?

Es gibt durchaus eine tiefer sitzende Unzufriedenheit mit der aktuellen Regierung. Sie hat wegen der tieferen Rohstofferlöse viel weniger finanziellen Spielraum als noch vor einigen Jahren. Morenos weiter links stehender Vorgänger im Präsidentenamt, der in Belgien lebende Rafael Correa, beutet die Situation geschickt aus und bezeichnet Moreno als «Verräter, der sich auf eine neoliberale Schiene» begeben habe.

Wie lange kann sich Ecuador die wegen der Proteste teilweise gelähmte Wirtschaft leisten?

Wohl nicht mehr allzu lange. Wegen der vielen Strassensperren wird die Versorgung mit Lebensmitteln mancherorts schwierig. Doch die Demonstranten wollen nicht verhandeln, während auch die Regierung nicht von der Aufhebung der Benzinsubventionen abrücken will. Eine rasche Entschärfung der Lage scheint nicht möglich.

Moreno wird einen Teil der Benzinpreiserhöhung womöglich zurücknehmen müssen.

Bekommt die Regierung die Lage im Land mit der jetzt verhängten 60-tägigen Ausgangssperre in den Griff?

Kaum. Denn durch ein noch repressiveres Vorgehen von Polizei und Sicherheitskräften bei der Durchsetzung der Sperre würde bloss weiteres Öl ins Feuer gegossen. Der Dialog muss jetzt wieder in Gang kommen. Möglicherweise wird das Militär den Präsidenten dazu drängen, einen Teil der Treibstofferhöhung zurückzunehmen, um so seinen guten Willen gegenüber den Anliegen der Demonstranten zu signalisieren.

Die Probleme Ecuadors und die Verschuldung bleiben bestehen. Welche längerfristigen Auswirkungen hat das für Ecuador?

Ein Regierungswechsel kann nicht ausgeschlossen werden. So fordert Morenos Vorgänger Correa vorgezogene Neuwahlen. Nur so sei die Krise zu entschärfen. Solche Forderungen könnten aber zu einer Spaltung innerhalb des Militärs führen, was die Lage weiter verschärfen würde. Der Scherbenhaufen wäre dann noch viel grösser.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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