Zum Inhalt springen

Untersuchung gegen Nieto Wahlkampf mit Korruptionsvorwürfen gegen Mexikos Ex-Präsidenten

Gegen den ehemaligen Präsidenten von Mexiko, Enrique Peña Nieto, wird ein Ermittlungsverfahren eröffnet: Es geht um Geldwäsche und illegale Bereicherung.

Der Mexiko-Spezialist Günther Maihold sieht darin weniger einen Kulturwandel zur Bekämpfung der Korruption in Mexiko als vielmehr einen verfrühten Wahlkampf des amtierenden Präsidenten Andres Manuel López Obrador.

Günther Maihold

Lateinamerika-Experte

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Günther Maihold ist stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP). Das Forschungsgebiet des Soziologen und Politikwissenschafters umfasst Lateinamerika, Spanien sowie die organisierte Kriminalität.

SRF News: Was wird Mexikos Ex-Präsidenten Peña Nieto genau vorgeworfen?

Günther Maihold: In den letzten Monaten soll Nieto auch von seinen Familienangehörigen Geld in Millionenhöhe an seinen Wohnsitz in Spanien überwiesen worden sein, ausserdem geht es um illegale Bereicherung. Die Frage ist hier, woher diese Gelder kommen und aus welchen Einnahmen sie stammen.

Bislang wurden die grossen Fische in Mexiko eher nicht angefasst. Ändert sich das mit den Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten?

Das Vorgehen gegen eine prominente Person lässt sich gut darstellen – allerdings fragt sich, ob damit das Übel wirklich an der Wurzel gepackt wird.

Bloss durch die mögliche Anklage gegen einen Ex-Präsidenten wird man die Missstände nicht beseitigen.

Denn in der mexikanischen Verwaltung, insbesondere beim Ölkonzern Pemex, gibt es eine jahrzehntelange Tradition der Bereicherung bei der Vergabe von Aufträgen. Bloss durch die mögliche Anklage gegen einen Ex-Präsidenten wird man diese Missstände nicht beseitigen.

Geht es dem amtierenden, links-populistischen Präsidenten López Obrador also vor allem um seinen Vorgänger Nieto – und nicht um die Bekämpfung der strukturellen Korruption?

Im Wahlkampf hat López Obrador angekündigt, die Korruption bekämpfen zu wollen. Dieses Wahlkampf-Argument wird an der Person des Ex-Präsidenten jetzt wieder aufgewärmt.

Es entsteht der Eindruck, dass wahltaktische Überlegungen im Vordergrund stehen könnten.

Allerdings hätte Lopez in den bisherigen dreieinhalb Jahren seiner Präsidentschaft schon sehr viel mehr tun können. Es entsteht also der Eindruck, dass wahltaktische Überlegungen im Vorfeld der Wahlen im nächsten Jahr im Vordergrund stehen könnten.

Müsste López Obrador also vor allem beim Ölkonzern Pemex ansetzen, wenn es ihm mit der Korruptionsbekämpfung ernst wäre?

Pemex ist als Staatskonzern besonders für Korruption anfällig – angesichts der vielen Aufträge im Zusammenhang mit der Ölförderung und -verarbeitung. Es geht um hohe Investitionen – und es gibt dort eine Vetternwirtschaft bei der Besetzung der Posten. Hier müsste man intervenieren, um diese Traditionen zu brechen und Pemex neu aufzustellen. Doch das ist bislang nicht passiert.

Lopez Obrador.
Legende: Wollte der linkspopulistische Präsident Mexikos, Andres Manuel López Obrador, tatsächlich gegen Korruption vorgehen, müsste er den staatlichen Ölkonzern Pemex ins Visier nehmen, sagt Mexiko-Kenner Günther Maihold. Keystone/Mario Guzman

Warum nicht?

López Obrador hat alle alternativen Machtzentren ausgeschaltet, indem er sie als Orte der Korruption bezeichnete. So hat er bloss seine eigene Macht gestärkt, die Korruption wurde jedoch nicht beseitigt. Allein durch die Auflösung bestimmter Institutionen ändern sich die Erwartungen und Haltungen der dort tätigen Leute nicht. Es hätte einen Kulturwandel gebraucht und Transparenz. Das hat López Obrador aber nicht angepackt.

Der Präsident hat immer noch eine hohe Zustimmung von rund 60 Prozent im Volk. Ihm schadet die Zurückhaltung bei der Korruptionsbekämpfung also nicht?

Nein, sicher nicht. López Obrador hat ein System aufgebaut, das vielen Leuten in der Bevölkerung Staatsgelder zuschanzt – durch Zuschüsse, Stipendien, Pensionen. Dieses Klientelsystem ist die Basis seiner Macht und seiner Akzeptanz. Das hat ihn zu einem praktisch unangreifbaren Präsidenten gemacht, was die Umfragen angeht.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

SRF 4 News, Echo der Zeit vom 8.8.2022, 18:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel