Ex-Präsident Nicolas Sarkozy sieht sich als Opfer der französischen Justiz: Sie führe einen Rachefeldzug gegen ihn, sagt er. So hat er bereits vor zwei Jahren auf das Urteil des Strafgerichts reagiert, das ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt hatte, davon eines unbedingt. Ein beispielloses Urteil in der Geschichte von Frankreichs Justiz.
Nicolas Sarkozy hat damals Berufung eingelegt – und der Revisionsprozess hat das Urteil in der ersten Instanz nun bestätigt. Nicolas Sarkozy wird auch dieses Urteil anfechten und an den Kassationshof weiterziehen, Frankreichs höchstes Gericht.
Weiterzug an den Europäischen Gerichtshof
Dies ist sein gutes Recht und Nicolas Sarkozy macht von dem ausgiebig Gebrauch. Nach dem gleichen Muster hat er bereits gegen die Anklage und die Beweismittel Einspruch eingelegt. Auch wollte er bereits den Prozess unter allen Umständen verhindern. Dies erklärt auch die Länge des Verfahrens: Zwischen Beginn der Ermittlungen und dem Urteil in zweiter Instanz liegen rund neun Jahre.
Der Fall ist juristisch noch nicht geklärt und der Ex-Präsident hat bereits erklärt, er werde einen Schuldspruch des Kassationshofs allenfalls vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anfechten.
Die Justiz am Gängelband der Regierung
Auch das Stichwort Feldzug ist möglicherweise nicht vollständig abwegig. Nur sollte der Ex-Präsident dies nicht so persönlich nehmen. Es geht wohl weniger um Nicolas Sarkozy als Person, als um Frankreichs Justizsystem. Denn die Regierung führte Frankreichs Justiz traditionell am Gängelband.
Vor allem Staatsanwälte waren bei ihren Ermittlungen an Weisungen aus dem Justizministerium gebunden. Davon strampelt sich die Justiz seit Ende der 1980er Jahre frei. Untersuchungsrichter ermitteln inzwischen selbst gegen hohe Politikerinnen und Politiker und machen auch nicht Halt vor ehemaligen Staatspräsidenten, wie die Fälle der Ex-Präsidenten Chirac und Sarkozy zeigen.
Justiz nimmt Politik in Pflicht
Richterinnen und Richter nehmen die Politik in die Pflicht. Ein Schlüsselsatz findet sich im Urteil der ersten Instanz zum Korruptionsprozess Sarkozy: Das Gericht werte die Tat als besonders schwerwiegend, da sie ein ehemaliger Präsident begangen habe. Er habe seine Pflicht als Vorbild verletzt und dem Ansehen des Staates geschadet. Dies ist ein politisches Argument und illustriert, wie sich das Selbstverständnis der französischen Justiz wandelt. Sie schont Politiker nicht mehr aus Prinzip, sondern legt einen strengeren Massstab an.
Damit geht das Urteil weit über den Einzelfall Sarkozy hinaus. Da das Urteil erst mündlich vorliegt, wird an der schriftlichen Begründung interessant sein, ob das Berufungsgericht diese Wertung übernimmt. Es wäre ein Zeichen, dass sich Frankreichs Justiz weiter emanzipiert.