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Urteil im «Tiergartenmord» Droht jetzt eine Eiszeit zwischen Berlin und Moskau?

In Berlin ist das Urteil zum «Tiergartenmord» vor gut zwei Jahren veröffentlicht worden: Das Gericht kommt zum Schluss, dass der Angeklagte ein Killer ist, der im Auftrag des russischen Staates einen Mann erschoss. Das Opfer ist ein Georgier, der im Tschetschenien-Konflikt gegen Russland gekämpft hatte. Der Politologe Stefan Meister glaubt aber nicht, dass Deutschland nun an einer weiteren Verschlechterung der ohnehin arg strapazierten Beziehungen zu Russland gelegen ist.

Stefan Meister

Politologe

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Stefan Meister ist Leiter des Zentrums für Ordnung und Governance in Osteuropa, Russland und Zentralasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er spricht Deutsch, Russisch, Englisch und Polnisch.

SRF News: Wie schätzen Sie die politische Bedeutung des Urteils ein?

Stefan Meister: Mitten in Europa hat ein Akteur eines anderen Staates eine Person getötet – im Auftrag dieses Staates. Das scheint inzwischen erwiesen zu sein. Zwei russische Diplomaten wurden aus Deutschland ausgewiesen. In dieser Hinsicht ist es ein hochpolitisches Thema. Es beschädigt die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland in hohem Masse.

Könnten nun noch stärkere Zeichen aus Berlin folgen?

Das glaube ich nicht – so problematisch der Fall auch ist. Mit der Ausweisung der Diplomaten hat man ja schon reagiert. Es gibt derzeit so viele andere, schwierige Themen mit Russland, dass ich glaube, dass die Bundesregierung das nicht zu sehr hochspielen möchte.

Deutschland blockiert derzeit die Inbetriebnahme der neuen Gasleitung Nord Stream 2. Könnte die Blockade durch dieses Urteil verlängert werden?

Es ist die Bundesnetzagentur, die die Inbetriebnahme blockiert und nicht die Bundesregierung. Es ist keine politische Entscheidung, sondern ein bürokratischer Prozess, in dem das Betreiber-Unternehmen von Nord Stream 2 bestimmte Auflagen nicht erfüllt. Es wird für die Bundesregierung gar nicht so einfach sein, diesen Prozess zu stoppen oder weiter zu verlangsamen. Das betroffene Unternehmen würde dann womöglich klagen und auch Recht bekommen. Es gibt viel Rhetorik um diese Pipeline. Ich bin mir aber nicht sicher, inwieweit man diese politisch wirklich sanktionieren kann.

Der Fall Nawalny hat zur Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen stärker beigetragen als der Tiergartenmord.
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Nachdem der russische Oppositionelle Alexej Nawalny vergiftet wurde, wurde er in Berlin behandelt. Auch dieser Anschlag wird dem russischen Staat zugeschrieben. Welcher Fall ist für Deutschland der schwierigere?

Es sind zwei sehr unterschiedliche Fälle. Nawalny hat enorme Aufmerksamkeit bekommen. Der Fall hatte auch starken Einfluss darauf, wie sich deutsche Politiker und Politikerinnen gegenüber Russland geäussert haben. Auch die damalige Kanzlerin Angela Merkel hat Nawalny im Krankenhaus getroffen. Das hat auf russischer Seite harsche Reaktionen ausgelöst.

Der Fall hat zur Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen stärker beigetragen als der Tiergartenmord. Bei letzterem haben die Bundesregierung und auch die Bundesanwaltschaft sehr vorsichtig agiert. Man hat versucht, den Fall nicht zu sehr hochzuspielen.

Aus Moskau heisst es immer wieder, man habe mit dem Mord in Berlin nichts zu tun. Der deutsche Gerichtsprozess sei politisch motiviert. Könnte diese russische Anschuldigung gegenüber Berlin auch nur die geringste Berechtigung haben?

Das halte ich für Propaganda. Das ist eine typische Reaktion der russischen Regierung, dass man der anderen Seite die Schuld zuweist für das, was passiert ist. Der Vorwurf ist absurd. Die Art und Weise, wie vorsichtig und auch wie korrekt die Bundesanwaltschaft agiert hat, zeigt ja, dass man den Fall nicht politisieren will.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

Echo der Zeit, 15.12.2021, 18 Uhr ; 

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