Darum geht es: Agent Orange ist eigentlich ein Herbizid. Es ist aber auch als brutale Waffe im Vietnamkrieg bekannt. Die USA setzten Agent Orange im Dschungel zur Entlaubung ein, um so Vietkong-Kämpfer zu finden. Das Mittel ist hochgiftig und hat Millionen Menschen krank gemacht. Ein Gericht in Frankreich hat sich nun mit Schuldfragen von damals befasst.
Das ist das Urteil: Eine 79-jährige Französin vietnamesischer Herkunft, die als Kriegsberichterstatterin gearbeitet hat und sich als Opfer von Agent Orange sieht, hat vor einem französischen Gericht gegen 14 Unternehmen, die dieses Herbizid hergestellt und verkauft haben, geklagt. Das Gericht hat ihre Klage jedoch abgewiesen. Die Firmen hätten im Auftrag der USA gehandelt und seien daher gegen solche Klagen immun. Die Frau, die mehrere Krankheiten bei sich und ihren Kindern darauf zurückführt, dass sie Agent Orange ausgesetzt war, hat somit keinen Anspruch auf Schadenersatz.
So reagiert man in Vietnam: Südostasien-Korrespondentin Karin Wenger hat sich die englischsprachige Presse in Vietnam angeschaut. Diese haben vor allem ein Thema: Corona. «Es scheint, als hätten die Opfer von Agent Orange keine grosse Lobby in ihrem eigenen Land.» In Ho-Chi-Minh-Stadt haben Opferorganisationen eine Ausstellung zu Agent Orange und den Folgen des Herbizids organisiert. Laut Wenger sagten die Teilnehmenden, die USA und die Firmen, die die Herbizide hergestellt hatten, müssten endlich Verantwortung übernehmen für ihre Taten. «Aber das ist mit diesem Urteil in Frankreich zugunsten der Konzerne nicht geschehen», so Wenger.
Das ist die Reaktion der Klägerin: Sie sei traurig über den Entscheid, aber sie werde nicht aufgeben und Beschwerde gegen das Urteil einlegen, sagte die Klägerin. Sie kämpft bereits seit Jahren vor verschiedenen Gerichten in Frankreich für die Entschädigung der Opfer. «Sie hat auch immer wieder deutlich gemacht, dass es ihr nicht primär um ihren eigenen Fall geht, sondern um die Millionen von Agent-Orange-Opfer, die bis heute in Vietnam leben und deren Leid nie anerkannt wurde», sagt Wenger. Bis die Opfer in Vietnam Gerechtigkeit bekommen würden, werde sie kämpfen: «Aber es ist anzunehmen, dass sie diese Gerechtigkeit nicht mehr erleben wird.»
Das sagen die angeklagten Firmen: Die Firma Bayer hat mitgeteilt, es sei seit vielen Jahren von Gerichten anerkannt, dass Unternehmen, die zu Kriegszeiten im Auftrag der US-amerikanischen Regierung produzierten, nicht für mögliche Schäden verantwortlich seien. Doch das stimmt nicht ganz.
US-Kriegsveteranen wussten damals nichts von der Giftigkeit und benutzten die leeren Tonnen zum Beispiel zum Grillieren auf ihren Basen.
Wenger erklärt: «Nicht nur Vietnamesinnen und Vietnamesen leiden an den Spätfolgen des Herbizids, sondern auch die US-Kriegsveteranen. Sie wussten damals nichts von der Giftigkeit und benutzten die leeren Tonnen zum Beispiel zum Grillieren auf ihren Basen.» Viele litten danach an Krankheiten und haben deshalb in den USA einen jahrelangen Rechtsstreit gegen die Chemiefirmen geführt, gewonnen und Entschädigungen bekommen – Entschädigungen, von denen kaum welche an vietnamesische Opfer fliessen.
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Bild 1 von 6. Der 12 Jahre alte Tran wird in einem Hospital von Ho-Chi-Minh-Stadt gefüttert. Er kam ohne Augen zur Welt. So wie er wurden nach dem Krieg mehr als 150'000 Kinder mit Behinderungen geboren. Neben Missbildungen leiden die Kinder ... Bildquelle: Reuters.
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Bild 2 von 6. ... vor allem unter Schädigungen des Nerven- und Immunsystems. Werden sie in den Städten oftmals noch angemessen versorgt, fehlen den Eltern auf dem Lande hingegen zumeist die finanziellen Mittel. Werden aus den Kindern Erwachsene, leben diese oft in völliger Isolation – versteckt vor der Öffentlichkeit – wie die 38-jährige Doan in Zentralvietnam. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 6. Heute gibt es bereits drei Nachkriegsgenerationen mit Missbildungen. Verantwortlich dafür ist vor allem das in Agent Orange enthaltene Dioxin. Dieses schädigt das Erbgut und führt zu den Missbildungen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 4 von 6. So kamen die beiden Schwestern Nhon und Hoa (r.) mit verkümmerten Gliedmassen und 12 Fingern zur Welt. Ihr Vater diente in der südvietnamesischen Armee und lebte mit seiner Frau neben einem US-Luftwaffenstützpunkt, von dem aus Agent-Orange-Einsätze geflogen wurden. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 6. Wie viele Generationen noch unter den Folgen von Agent Orange leiden müssen, ist unter Experten umstritten. Die USA wollen bis heute keinen Zusammenhang zwischen Agent Orange und den behinderten Kindern sehen. Erst seit zwei Jahren fliesst Geld für die Opfer – bisher 100 Millionen Dollar. Bildquelle: Reuters.
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Bild 6 von 6. Bei rund 20'000 Einsätzen versprühte das US-Militär zwischen 1962 und 1971 über 70 Millionen Liter Agent Orange. Wälder und Felder sind nach 40 Jahren kaum noch verseucht. In der Nähe ehemaliger US-Basen sind die Dioxin-Werte aber teilweise um das mehr als 400-Fache erhöht – Fische und Nahrungsmittel sind eigentlich nicht zum Verzehr geeignet. Bildquelle: Keystone.