Zum Inhalt springen

US-Deal um Tiktok Technologie-Experte: «Hoffnungs-Signal im digitalen Kalten Krieg»

Die chinesische Kurzvideo-Plattform Tiktok hat weltweit 800 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer. Zuletzt sah es so aus, als würde Tiktok in den USA verboten. Präsident Donald Trump hatte das chinesische Unternehmen unter Druck gesetzt und damit gedroht, es aus dem amerikanischen Markt zu verbannen. Nun liegt eine Einigung vor, damit das nicht passiert. Der Technologie-Experte Hannes Grassegger ordnet den Deal ein.

Hannes Grassegger

Journalist

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Er ist Journalist und Technologie-Reporter für «Das Magazin» des Tages-Anzeigers.

SRF News: Ist Präsident Donald Trump ein Coup gelungen?

Hannes Grassegger: Das ist auf jeden Fall ein Sieg für Trump. Einerseits auf der aussenpolitischen Ebene – es ist eine Ansage an China, dass er den Ton angibt. Und innenpolitisch ist es ein sehr schlauer Schritt in der Wettbewerbspolitik. Es ist auch eine Ansage ans Silicon Valley. Mit dem Tiktok-Deal kreiert er einen Konkurrenten für Facebook. Und dieser Konkurrent ist in der Hand von Trumps Freunden. Gleichzeitig könnte hier auch ein potenzieller Konkurrent für Amazon entstehen.

Es ist auch eine Ansage ans Silicon Valley.

Was hat denn dazu geführt, dass Tiktok diese Zugeständnisse gemacht hat?

Donald Trump hatte in diesem Fall wirklich alle hinter sich – Amerika ist geeint aufgetreten. Tiktok hatte keine andere Möglichkeit, als einzulenken. Der US-Präsident und die USA haben ja die Möglichkeiten, bei sich Sachen zu verbieten und zu erlauben. Wenn der Kongress da mitzuspielen scheint, dann steht da Trump auch nichts im Weg.

Tiktok war chinesisch. Was bedeutet nun dieser Deal für China?

Einerseits ist es ein klarer Rückschlag. Andererseits haben sie den Algorithmus, also der Kern und das Herzstück der App, nicht freigegeben. Der neue Mitbesitzer in den USA, Oracle, hat nur die Rechte eingeräumt bekommen, die Datenflüsse zu überwachen. Wie das detailliert aussieht, weiss ich noch nicht. Aber das heisst nicht, dass der Algorithmus – also die Coca-Cola-Formel von Tiktok – jetzt in den Händen der Amerikaner ist.

Es ist vielleicht auch ein optimistisches, hoffnungsvolles Signal für eine Zukunft in diesem digitalen Kalten Krieg.

Ist das Unternehmen nun nicht wertlos, wenn der Algorithmus in China bleibt?

Das Unternehmen bleibt wertvoll, solange es operationell bleibt. Was wirklich interessant ist an diesem Deal, ist dieser Pragmatismus. Denn China wurde nicht vernichtend geschlagen. China hat sich geweigert – auch mit der eigenen Gesetzgebung – den Algorithmus herauszugeben. Und nun hat man einen Weg gefunden, damit umzugehen. Entwickelt wurde eine Mischform der Kontrolle. Sodass die USA die Datenströme beobachten können, ohne den Algorithmus in ihre Hände zu bekommen. Und dieser Pragmatismus könnte richtungsweisend sein. Er ist vielleicht auch ein optimistisches, hoffnungsvolles Signal für eine Zukunft in diesem digitalen Kalten Krieg.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

Echo der Zeit, 20.09.2020, 18 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel