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US-Demokraten tagen digital USA-Experte: «Statt schreiender Menge wird es still sein»

Heute Montag beginnt in den USA der viertägige Parteitag der demokratischen Partei. Zum ersten Mal in der Geschichte wird ein US-Parteitag digital durchgeführt. USA-Experte Lammert sieht darin neben den offensichtlichen Nachteilen auch Chancen.

Christian Lammert

Politologe

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Christian Lammert ist Professor für nordamerikanische Politik am John F. Kennedy Institut an der Freien Universität Berlin.

SRF News: Bisher war ein Parteitag in den USA ein Grossanlass. Wie aber läuft ein virtueller Parteitag ab?

Das wissen wir noch nicht genau, weil wir so etwas noch nicht erlebt haben. Bislang hatten diese Parteitage auch immer die Funktion, unter den Wählern Begeisterung hervorzurufen. Da war viel Farbe dabei, da waren viele Fähnchen, viele Luftballons, und es gab eine schreiende Menge. Jetzt wird es still sein. Man wird zwar Reden haben und die Leute werden von überall aus den USA zugeschaltet werden. Aber dass dieselbe Begeisterung erzeugt werden kann, ist kaum anzunehmen. Wie sich das auf die Wähler auswirkt, muss man deshalb erst einmal abwarten.

Ist der Parteitag unter solchen Voraussetzungen trotzdem ein wichtiger Anlass für die Demokraten?

Es ist schwierig zu sagen, wie ein solcher Parteitag ankommen wird. Es gibt abends jeweils ein zweistündiges Programm, das live übertragen wird. Früher dauerte die TV-Übertragung fast den ganzen Tag. Da traten auch Stars aus Hollywood oder Sänger auf. Andererseits ist ein Parteitag auch dazu da, die Partei nach einem schwierigen Vorwahlkampf wieder zu einen.

Die verschiedenen Flügel der Partei müssen sich zusammensetzen und eine Art Wahlprogramm schreiben. Auch wenn es für den Wahlkampf nicht so wichtig ist, für die Partei ist es wichtig, denn es zeigt, welche Parteipositionen sich durchgesetzt haben.

Junge Wähler sind es gewohnt, nicht unbedingt Live-Veranstaltungen zu schauen.

Denken Sie, das wird gelingen?

Wenn Leute gute Reden halten, dann erreichen diese auch die Zuhörenden zu Hause. Barack Obama zum Beispiel wird eine Rede halten. Es geht ja bei dieser Wahl vor allem auch darum, junge Wähler zu begeistern. Und junge Wähler sind es gewohnt, nicht unbedingt Live-Veranstaltungen zu schauen, sondern gezielt Inhalte via Podcasts und Social Media anzuschauen. So kann man vielleicht mal genauer zuhören. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in Zukunft leicht andere Parteitage in den USA sehen werden.

Werden die TV-Sender zurückhaltender als bei früheren Veranstaltungen berichten?

Ja, aber sie können auch gezielter berichten. Wenn die einzelnen Reden wichtig sind, ist es zentral, dass die Botschaften von Medien verbreitet werden. Die Demokraten müssen aber auch nach dem Parteitag noch viel Arbeit investieren, um ihre Inhalte zu vermitteln.

Was ist Ihre Einschätzung? Können die Demokraten und Demokratinnen auch viel Enthusiasmus generieren?

Ich bin etwas skeptisch, dass der Parteitag die gleiche positive Begeisterung erzeugen wird wie in anderen Jahren. Es stehen zwar einige Redner auf der Liste, die das sehr gut können. Joe Biden ist jedoch nicht so der grosse Rhetoriker. Aber ich glaube, spätestens wenn Präsident Trump seine Veranstaltungen macht, wird das Engagement bei den Demokraten zunehmen. Trump hat schon angekündigt, jeden Tag aufzutreten. Das ist ein ganz anderer Ansatz als bei den Demokraten.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

SRF 4 News, 17.08.2020; 06:45 Uhr ; 

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