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US-Demokraten vor den Wahlen Selbstzerfleischung oder produktiver Ausrichtungskampf?

Einfach nur weg mit diesem Präsidenten, mit Donald Trump. Das ist der grösste gemeinsame Nenner unter den Demokraten. Doch bei der Frage, wie das konkret gehen soll, hört das mit dem «Einfach» gleich wieder auf.

Die erste Herausforderung: Trump ist ein starker Wahlkämpfer und zumindest bei den Republikanern immer noch sehr beliebt. Mit allen Wassern gewaschen, ist er bereit, (fast) alle Mittel anzuwenden. Niemand, von rechts oder von links, hat ihn bisher bezwingen können.

Die zweite Herausforderung: Wer kann gegen Trump bestehen? Die Motivation bei den Demokraten ist riesig – gleichzeitig fehlt ein klarer Favorit. Deshalb wittern viele ihre Chance. Sechzehn sind es bis heute, und es werden mit Sicherheit noch einige dazukommen. In Washington spricht man augenzwinkernd von einer Art Jekami – jeder kann mitmachen.

Doch Masse ist nicht zwingend Klasse. Der Wahlkampf ist belastend und kann äusserst schmutzig werden. Das verlangt nach einer starken Persönlichkeit mit grossem Durchhaltewillen. Gegen Trump anzutreten, ist kein Kindergeburtstag. Wer’s nicht glaubt, kann Hillary Clinton, Jeb Bush oder Ted Cruz fragen.

Demokraten driften nach links

Der Linksrutsch bei den Demokraten ist die dritte Herausforderung. Seit den Wahlen 2016 driftet die Partei nach links. Auch wegen Bernie Sanders, der damals gegen Hillary Clinton unerwartet gut abgeschnitten hatte. Sanders hat seine prononciert linken Positionen teilweise salonfähig gemacht: eine staatliche Einheitskrankenkasse, die massive Besteuerung der Reichen oder die Forderung, Wahlkampf-Finanzierung durch Unternehmen solle verboten werden. Dazu kommen weitere Vorstösse vom linken Rand der Partei. Der «Green New Deal» verlangt zum Beispiel, dass der Staat mit grossen Investitionen Klimawandel und wirtschaftliche Ungleichheit massiv bekämpfen soll.

Inhalte wie diese kommen bei Wählern und Wählerinnen unter 40 Jahren gut an. Die vielen linken Aktivisten sind voller Energie und motiviert, im Wahlkampf mitzuhelfen. Kein Wunder also, dass mehr als eine Handvoll Kandidatinnen und Kandidaten aus dem linken Spektrum der Demokraten kandidiert. Zu dieser Gruppe gehören Bernie Sanders, Elizabeth Warren, Kamala Harris und andere.

Die grosse Frage ist: Ist Amerika bereit für einen Präsidenten, der selbst in sozialdemokratischen Parteien nach europäischem Muster links politisieren würde? Die Antwort heute? Schwierig.

Fehlende Energie bei Moderaten

Die vierte und letzte Herausforderung schliesslich ist die fehlende Energie bei moderateren Demokraten. Die gemässigten Kräfte im Kandidatenfeld sind nicht Welten entfernt von den ganz Linken. Aber sie wollen keine Extrempositionen. Mit Blick auf die Forderungen vom linken Rand der Partei heisst das, verkürzt gesagt: Weniger Staat, mehr Pragmatismus und Kompromissbereitschaft.

In diese Gruppe gehören zum Beispiel Amy Klobuchar, John Hickenlooper und Ex-Vizepräsident Joe Biden. Seine Kandidatur wird in den nächsten Wochen erwartet. Die grosse Frage hier: Können diese gemässigten Kräfte genügend Wähler mobilisieren, um gegen die Parteilinke anzukommen?

Diese vier Herausforderungen werden für die Demokraten nicht ohne Tumulte zu meistern sein. Die Gefahr, dass sie sich in einem harten Vorwahlkampf selbst zerfleischen, besteht. Aber ihr Ausrichtungskampf könnte sich auch als produktiv erweisen und ihre Einheit stärken. Letzteres brauchen sie, wenn sie im November 2020 wieder eine Präsidentin oder einen Präsidenten bejubeln wollen. Einfach wird das nicht.

Peter Düggeli

USA-Korrespondent, SRF

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SRF-Korrespondent Peter Düggeli arbeitet seit Sommer 2015 in Washington. Er ist seit 2010 bei SRF. Düggeli studierte an der Universität Freiburg Geschichte und Englisch und schloss sein Studium 1999 mit einem Lizenziat ab.

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