«Es ist heiss hier», sagt Will Stanton, ein 41-jähriger Kohlearbeiter, zum feuchten Sommer von Kentucky. «Aber wir gehen erst, wenn wir bezahlt werden.» Seit über vierzig Tagen harrt er auf dem Bahngleis aus. Und er will beiben. «Dieser Zug fährt nirgendwohin.»
Es ist ein Akt der Verzweiflung. Am 1. Juli meldete der US-Kohlekonzern Blackjewel LLT Konkurs an ohne Vorwarnung wie das per Gesetz nötig wäre. Und die letzten Lohnzahlungen an viele der rund 1100 Arbeiter und Arbeiterinnen sind bis jetzt nicht erfolgt. Als Blackjewel die Kohle zum Verkauf abtransportieren wollte, die die Kumpel ohne Lohn geschürft hatten, platzte ihnen der Kragen.
Sie blockierten kurzentschlossen die Lieferung des schwarzen Goldes. Und drohen: «No pay, we stay.»
Für die Kumpel, die von Lohn zu Lohn leben, eine existenzielles Problem: Ihre Bankkonten seien im Minus, Kredit erhielten sie keinen, die Rechnungen blieben unbezahlt, erzählt Curtis Cress.
Er arbeitet seit 2008 im Bergbau. Sein Stundenlohn betrug bei Blackjewel 27 Dollar in der Stunde. Das ist in Kentucky ein hoher Lohn, wegen des Gesundheitsrisikos im Bergbau. «Wenn Du nicht aufpasst im Berg, dann bist Du entweder schwer verletzt – oder tot.»
Nun lebt er von Spenden, die an die Kumpel von weither fliessen, seit ihre Geschichte in den nationalen Medien die Runde machte. Gönner schicken Geld oder Naturalien. Manchmal ist etwas zuviel des Guten wie im Fall dieser Wassermelonen. Es sind jeweils nur etwa ein Dutzend Personen im Lager präsent.
Am zuständigen Gericht in West Virginia wird der Konkursprozess verhandelt. Der Richter wird über das Schicksal des Zuges und die Entlöhnung entscheiden. Es finden derzeit Anhörungen statt. Die protestierenden Kumpel und ihre Ehefrauen hören am Transistorradio in ihrem Lager genau zu.
Viel erwarten dürfen die Bergbauarbeiter aber nicht allenfalls die Auszahlung des gesetzlichen Minimallohns von 7 Dolllar 25 Cents pro Stunde. Damit werde er sich nicht zufrieden geben, sagt Will Stanton. Verstehen er und seine Kumpel sich als Revolutionäre? «Nein», sagt er und lacht. «Ich verlange nur, was recht ist.»
Mit dem linken Arbeiterkampf wollen die aufständischen Kumpel nichts zu tun haben. Sie sind konservativ gesinnt, haben Präsident Trump gewählt und stehen Gewerkschaften kritsch gegenüber. Dass Gewerkschaften sie in ihrer Lage besser hätten schützen können, lässt Will nicht gelten. «Die Gewerkschaften haben Kentucky verlassen, als es mit uns bergab ging», sagt er. Tatsächlich gibt es in Kentucky inzwischen keine einizge gewerkschaftlich organisierte Mine.
Interessanterweise stellt das US-Arbeitsministerium sich hinter die Bergbauarbeiter und argumentiert im Konkurs-Prozess, dass Blackjewel LLC gegen das Arbeitsschutzgesetz verstossen habe und deshalb der Kohlezug nicht bewegt werden dürfe.
Die Protestler von Harlan County stehen also sozuagen unter dem Schutz der Trump-Regierung. Doch wirklich hilft das den Bergbauarbeitern in Kentucky nicht. Trotz Wahlkampf-Versprechungen des US-Präsidenten befindet sich die Kohleindustrie weiterhin im rapiden Niedergang. Seit dem Amtsantritt von Donald Trump sind neun grosse Kohlekonzerne in Konkurs gegangen.