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US-Kriegsermächtigungsgesetz US-Senat setzt Zeichen für künftige Interventionspolitik

Ob die USA Krieg führen, entscheidet der Kongress. Diese Kriegsermächtigungen sind entweder befristet oder gelten, bis sie aufgehoben werden. Das kann Jahrhunderte dauern, wie die noch gültige Kriegsermächtigung von 1798 gegen Frankreich zeigt. Die Ermächtigungen gegen Irak von 1991 und 2002 hat der Senat letzte Nacht aufgehoben. Folgt das Repräsentantenhaus, wäre das ein bedeutender symbolischer Akt, erklärt Politikwissenschaftler Stephan Bierling.

Stephan Bierling

USA-Experte

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Bierling lehrt seit 2000 als Professor für Internationale Politik an der Universität Regensburg und leitet die Professur für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen. Er ist als Analyst der US-Innen-, Wirtschafts- und Aussenpolitik für diverse Medien tätig.

SRF News: Warum kommt in den USA gerade jetzt Bewegung ins Thema Kriegsermächtigungen?

Stephan Bierling: Darin zeigt sich, dass die Amerikaner sehr interventionsmüde geworden sind. Nach Afghanistan und Irak wollte kein Präsident mehr Truppen in grösserem Mass ins Ausland schicken und die Einsätze schnell beenden. Der Senat bringt nun diese öffentliche Stimmung gegen Interventionen zum Ausdruck.

Sind sich die Parteien in dieser Interventionsfeindschaft einig?

Überraschenderweise ja. Innenpolitisch zerstritten, schält sich in der Aussenpolitik allmählich ein parteiübergreifender Konsens heraus. Dazu gehören auch Protektionismus, die Abgrenzung zu China und die Feindschaft gegen Russland. Grosse aussenpolitische Abenteuer wollen aber weder Demokraten noch Republikaner. Die Republikaner sind – auch unter dem Druck von vier Jahren Trump – auf Positionen, die man ursprünglich eher den Demokraten zugeschrieben hat.

US-Kapitol.
Legende: Manche Kriegsermächtigungen durch den US-Kongress überdauern Jahrhunderte. Im Fall von Irak setzt der Senat mit der Aufhebung jetzt aber ein klares Zeichen, wie Experte Stephan Bierling sagt. Keystone/EPA/SHAWN THEW

Beide Parteien im Repräsentantenhaus und mittlerweile auch im Senat reagieren sehr feinhörig auf die innenpolitische Stimmung. Langanhaltende Kriege, die viel Geld kosten und das Leben von US-Soldaten gefährden, will man nicht mehr. Das ist in beiden Parteien mehrheitsfähig geworden.

Warum haben einige dieser Kriegsermächtigungen noch bis heute Bestand?

Es hängt mit einer gewissen Lethargie im politischen System zusammen. Gewisse Gesetze stehen dann einfach «in the books» und der Aufwand lohnt oft nicht, sie rückgängig zu machen. Etwa jenes gegen Frankreich von 1798, an das kein Mensch mehr denkt. Im aktuellen Fall wird aber eindeutig eine politische Signalwirkung bezweckt: Der Wählerschaft soll gezeigt werden, dass grosse Interventionen wie im Irakkrieg nicht mehr stattfinden.

Die Amerikaner sind sehr interventionsmüde geworden.

Noch nicht mehrheitsfähig ist im Kongress dagegen die Aufhebung der Kriegsermächtigung im «War on Terror» nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Man befürchtet, dass dann US-Präsidenten Drohnenschläge gegen islamistische Terroristen nicht mehr durchführen könnten und der Kongress letztlich haftbar für amerikanische Opfer gemacht würde.

Könnte der Kongress nicht bei Bedarf um neue Ermächtigungen ersucht werden?

Das könnte man durchaus tun. Doch das wird kein Präsident machen, solange er die Ermächtigungen hat. Es sind ja auch andere Kriege, als man sie in der Historie kennt. Formal hat der Kongress nur fünfmal Krieg erklärt, das letzte Mal im Zweiten Weltkrieg. Hier geht es aber um relativ nebulöse Ermächtigungen mit viel Spielraum für den Präsidenten. Biden ist der erste Präsident überhaupt nach 9/11, der sich bereit erklärt hat, eine solche Aufhebung zu unterschreiben.

Wird nach dem Senat auch das Repräsentantenhaus zustimmen?

Das ist nicht unwahrscheinlich. Das Repräsentantenhaus hat im vorletzten Jahr eine ähnlich klingende Resolution verabschiedet. Biden wird, wie er sagte, kein Veto einlegen. Damit wäre der symbolische Akt ans Volk vollbracht, dass die US-Interventionspolitik der Vergangenheit weitgehend vorbei ist.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Echo der Zeit, 30.03.2023, 18:00 Uhr ; 

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