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US-Präsidentschaftswahl Weshalb in den USA die Senioren das Sagen haben

Mit weit über 80 Jahren noch im Amt – in Washington keine Seltenheit. Haben die USA ein Altersproblem?

Die Enthüllungen über die Watergate-Affäre erschüttern die amerikanische Öffentlichkeit, in Chile putscht sich Augusto Pinochet an die Macht, der Geldautomat wird patentiert. Und der junge Rechtsanwalt Joseph Robinette Biden Jr. zieht für den Bundesstaat Delaware in den US-Senat ein und betritt die politische Bühne in Washington DC.

All dies geschah im Jahr 1973 und dieser Rechtsanwalt, besser bekannt als Joe Biden, hat auch ein halbes Jahrhundert später noch nicht genug von der Politik.

Biden hebt die Hand und schaut konzentriert,
Legende: Joe Biden, Mitte, legt den Amtseid für den US-Senat in einem Krankenhauszimmer ab, nachdem seine Frau und seine Tochter bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. (Bild vom 5. Januar 1973) Keystone/AP Photo

Im Gegenteil: Am Dienstag gab Biden bekannt, dass er für eine zweite Amtszeit als US-Präsident kandidiert. Sollte Biden wiedergewählt werden und bis zum Ende im Amt bleiben, wäre er 86 Jahre alt.

Joe Biden – «Sleepy Joe»?

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Biden war 77 Jahre alt, als er 2020 ins Weisse Haus einzog. Damit ist er der älteste Präsident, den es in den Vereinigten Staaten je gegeben hat. Ein Umstand, der in den letzten Jahren immer wieder zu reden gab.

«Sleepy Joe» («Schläfriger Joe») ist die abschätzige Bezeichnung seiner Gegner, mit der Biden aufgrund seines Alters diffamiert wird. Damit verspottete ihn erstmals Donald Trump in einem Tweet vor den letzten Präsidentschaftswahlen als senilen, alten Herren, der nicht fit genug für das Präsidentenamt sei. In der Folge ziehen Bidens Gegner über seine scheinbar immer wieder auftretenden Momente der Verwirrung her. So soll Biden beispielsweise im April 2022 nach einer Rede einem «Geist» ins Leere die Hand geschüttelt oder im vergangenen September auf offener Bühne nach der verstorbenen Abgeordneten Jackie Walorski gefragt haben.

Auch Bidens aktuell wahrscheinlichster Herausforderer, Ex-Präsident Donald Trump, ist mit seinen 76 Jahren kein Jungbrunnen mehr. Und auch ein Blick in die beiden Kammern des US-Kongresses zeigt, dass dort viele Seniorinnen und Senioren die Gesetze machen. So ist der aktuelle Kongress der drittälteste seit 1789. Und ein Vergleich mit der Schweiz zeigt, dass das Durchschnittsalter in Washington DC um einiges höher liegt als in Bern:

Auch in anderen europäischen Ländern sind die Parlamente jünger: So sind die Abgeordneten im britischen Unterhaus im Schnitt rund 50 Jahre alt. Im Deutschen Bundestag lag das Durchschnittsalter nach den letzten Wahlen 2021 bei 47 Jahren.

Schweiz und USA – eine spezielle Verwandtschaft

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Die Bundesverfassung und die Verfassung der USA.
Legende: Wikimedia / Musée national suisse

Auf den ersten Blick scheinen die USA und die Schweiz zwei sehr unterschiedliche Staaten zu sein. Umso überraschender ist der Blick auf die gemeinsame Vergangenheit. Dieser zeigt, wie eng die politischen Systeme der beiden Staaten miteinander verwandt sind.

> Lesen Sie mehr dazu in Schweiz und USA: Schwester-Republiken auf swissinfo.ch.

Auffällig ist, dass in den USA insbesondere noch relativ viele über 80-Jährige in Washington politisieren (vier im Senat, zwölf im Repräsentantenhaus). Zum Vergleich: In der Schweiz ist der älteste Parlamentarier, der Waadtländer Nationalrat Jean-Pierre Grin, 76 Jahre alt. In Washington würde Grin diesen Spitzenplatz noch lange nicht einnehmen. Die älteste Abgeordnete im Repräsentantenhaus, die Demokratin Grace Napolitano, ist ganze zehn Jahre älter als Grin. Die Senatoren Dianne Feinstein und Charles E. Grassley (siehe Bildergalerie) sind sogar 89 Jahre alt.

SRF-Korrespondent Pascal Weber erklärt sich die geringe Altersvielfalt in Washington vor allem dadurch, «dass Politikerinnen und Politiker erst mit zunehmender Erfahrung und Alter das nötige Wissen, die Netzwerke und die finanziellen Ressourcen haben, um eine erfolgreiche Kampagne zu starten». Nur wer gut im Spendensammeln sei, habe überhaupt Chancen, gewählt zu werden und innerhalb der Partei aufzusteigen, meint Weber. «In der US-Politik geht alles übers Geld.»

Und dieses Geld fehle bei jüngeren Generationen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die heutigen 30- bis 40-Jährigen ein Haus oder Vermögen besitzen, sei geringer als damals, als Biden mit 30 Jahren in den Senat gewählt wurde. «Dafür ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich die Jüngeren mit Studienschulden herumschlagen, sie weniger Vermögen besitzen.» Folglich fehlen Ressourcen und Unterstützung für politische Ambitionen.

Die Herren lächeln, daneben steht links ein weiteren Mann. Alle haben graues Haar und machen einen alten Eindruck.
Legende: US-Präsident Joe Biden schüttelt dem Mehrheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, nach der Rede zur Lage der Nation am 1. März 2022 die Hand. Reuters/Saul Loeb/Pool

In diesem Sinn repräsentieren die Politikerinnen und Politiker in den USA auch die Verteilung des Wohlstandes im Land: «Zwei Drittel des Vermögens sind in den Händen der über 55-Jährigen.»

Die Wählerschaft repräsentiert die amerikanische Bevölkerung nicht einmal annähernd bezüglich Alter.
Autor: Pascal Weber SRF-Korrespondent in Washington

Was in den USA auch einen gewichtigen Einfluss hat: Die deutlich höhere Wahlbeteiligung bei älteren Menschen, verglichen mit derjenigen unter jungen Stimmberechtigten. Über 50-Jährige machen in den USA rund ein Drittel der Bevölkerung aus. Doch schaut man sich die registrierten Wählerinnen und Wähler an, macht diese Gruppe mehr als die Hälfte aus. Und diese wähle nun mal eher ältere Kandidierende, meint Weber. «Die Wählerschaft repräsentiert die amerikanische Bevölkerung nicht einmal annähernd bezüglich Alter.»

US-Präsidentschaftswahl 2024

Tagesschau, 25.04.2023, 19:30 Uhr

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