Rusty Bowers deutet auf eine Pferdeskulptur und seine Bilder. Sein Hund hechelt in der Sommerhitze von Arizona. Ein Bild zeigt Berge, die ganz in der Nähe liegen.
Bowers passt zur rauen, kargen Natur hier. Tiefe Furchen ziehen sich durch das Gesicht, die verbleibenden Haare am Hinterkopf sind kurz rasiert. Der 71-Jährige hat jetzt Zeit für seine Kunst. Denn der frühere Mehrheitsführer der Republikaner im Parlament von Arizona hat kein politisches Amt mehr inne.
Auf dem Tisch liegt ein Tagebuch. Vermutlich hat Bowers darin auch jenen Sonntag im November 2020 festgehalten, als er einen Anruf erhielt – direkt aus dem Weissen Haus von Donald Trump und seinem Anwalt Rudy Giuliani.
Ich tue nichts Illegales. Ich breche nicht meinen Amtseid.
Beide sprachen von massivem Wahlbetrug in Arizona, wo Trump nur knapp verloren hatte. «Sie kamen gleich zur Sache», sagt Bowers. Er habe gefragt: «Wovon reden wir hier? Welches Ziel verfolgt ihr? Und sie sagten es mir. Ich erwiderte: Ich tue nichts Illegales. Ich breche nicht meinen Amtseid.»
Giuliani wollte die Hilfe von Bowers beim Versuch, das Wahlresultat zu Trumps Gunsten umzustossen. Das Parlament von Arizona sollte neue Wahlleute, sogenannte Elektoren, einsetzen.
Sie sollten für Trump statt für Joe Biden stimmen und damit den Volkswillen missachten. Bowers sass damals der grossen Parlamentskammer von Arizona vor. Bowers ist ein Konservativer, der sich 2020 für die Wiederwahl Trumps eingesetzt hatte.
Das ist verrückt. Wir machen das nicht.
Doch als Giuliani selbst nach Arizona kam, erklärte Powers ihm: «Das ist verrückt. Wir machen das nicht. Ihr müsst eure fürchterlichen Vorwürfe beweisen können.»
Doch Beweise für Wahlbetrug gab und gibt es nicht – bis heute nicht.
Bowers ist ein gläubiger Mormone. Die US-Verfassung hält er für göttlich inspiriert. Womöglich widerstand er deshalb allen Druckversuchen.
Viele andere Republikaner widersetzten sich der Lüge der gestohlenen Wahl nicht. Sie führte am 6. Januar 2021 zum Sturm aufs Kapitol. Jetzt machte die Partei Donald Trump trotzdem ein drittes Mal zu ihrem Kandidaten.
Wir sind prinzipienlos, behaupten aber, wir hätten Prinzipien. Wir sind vom echten republikanischen Weg abgekommen.
Jetzt sagt Bowers: «Wir sind Donald Trumps Partei. Wir verhalten uns wie Trump. Wir behandeln die Menschen wie Donald Trump. Wir sind prinzipienlos, behaupten aber, wir hätten Prinzipien. Wir sind vom echten republikanischen Weg abgekommen.»
Bowers sprach in Washington vor der parlamentarischen Kommission, die den Versuch zum Umstossen des Wahlresultats untersuchte. Der Auftritt machte ihn berühmt. Präsident Biden verlieh ihm eine Ehrenmedaille.
Von der eigenen Partei aber wurde er offiziell gerügt. Und als er für einen Sitz im Senat von Arizona kandidierte, verlor Bowers gegen einen Kandidaten Trumps.
Dann ist die Verfassung nur Papier.
Die US-Verfassung hänge am seidenen Faden, ist Bowers überzeugt. «Wenn die Menschen nicht die Selbstdisziplin haben, um die Verfassung aufrechtzuerhalten, bedeutet sie nichts. Dann ist sie nur Papier.»
Unter Trump könne man ohne Konsequenzen betrügen, ja er verspreche sogar, jene zu begnadigen, die Gesetze brechen – wie beim Sturm aufs Kapitol. «Die Geschichte zeigt, dass solche Tendenzen nur schwer umzukehren sind», so Bowers.
Er werde am 5. November definitiv nicht für Donald Trump stimmen, aber auch nicht für Kamala Harris, sagt Bowers.
Eine Wahlniederlage würde Donald Trump mutmasslich wieder nicht akzeptieren. Doch diesmal wird Rusty Bowers ihm nicht mehr im Weg stehen können.