Donald Trump will einen Raketenabwehrschild für die ganzen USA – den «Golden Dome». Diesen kündigte der US-Präsident letzte Woche an. Inspiriert ist er offenbar von Israels «Iron Dome», der in den letzten Jahren zahlreiche Raketenangriffe abgewehrt hat. Für die USA allerdings sei es illusorisch, ein ähnlich effizientes System zu bauen, sagt der Experte für Militärstrategien, Fabian Hoffmann.
SRF News: Wie genau soll der «Golden Dome» funktionieren?
Fabian Hoffmann: Der Raketenschutzschirm soll aus mehreren Schichten bestehen. Eine Schicht agiert gegen Raketen und Flugbedrohungen kürzerer Reichweite wie Marschflugkörper oder Kurzstrecken- und Mittelstreckenraketen. Daneben gibt es Elemente, die gegen nuklear bestückte Interkontinentalraketen wirken sollen. Das Ganze ist sehr komplex, technologisch höchst herausfordernd und teuer.
Die Abwehrraketen gegen nuklear bestückte Interkontinentalraketen sollen vom Weltraum aus abgefeuert werden.
Welche Infrastrukturen müssten die USA dafür jetzt neu aufbauen und beschaffen?
In den unteren Luftschichten könnten das Patriot- oder das NASAMS-System eingesetzt werden. Beides sind Mittelstrecken-Flugabwehrsysteme, wie sie auch sehr erfolgreich in der Ukraine betrieben werden. Von diesen Systemen könnten sich die USA nun viele weitere hinzukaufen und sie beispielsweise entlang der Pazifikküste oder in der Nähe von strategischen Zielen im Landesinnern stationieren. Die Interkontinentalraketen dagegen will Trump schon in der Startphase abfangen lassen – und zwar mit Abwehrraketen, die vom Weltraum aus abgefeuert werden.
Und was braucht es dazu?
Es braucht zunächst Aufklärungssatelliten, die den Start von Interkontinentalraketen frühzeitig bemerken. Solche haben die USA zwar bereits, aber es wären wohl zahlreiche zusätzliche nötig, auch um die Abwehrraketen zu lenken. Diese würden von Satelliten oder anderen Trägersystemen vom Weltraum aus abgefeuert. Die Abwehrraketen würden also quasi im Weltraum zwischengelagert und im Bedarfsfall auf die gegnerische Interkontinentalrakete abgefeuert.
Trump nennt Kosten von 175 Milliarden Dollar. Ist das realistisch?
Wenn dieser Betrag auch die Kosten für das weltraumgestützte System umfassen soll, ist das völlig unrealistisch. Wenn man dagegen bloss vom Boden aus die unteren Luftschichten bedienen will, würde diese Summe sehr weit reichen. Die Entwicklung und Installation eines Weltraumsystems würde allerdings eher Billionen als Milliarden Dollar kosten.
Ronald Reagans ‹Star Wars›-Projekt scheiterte in den 1980er-Jahren an technischen Problemen – und an den exorbitanten Kosten.
Gibt es solche weltraumgestützten Systeme bereits?
Nein. In den 1980er-Jahren gab es erste Entwicklungsschritte unter Präsident Ronald Reagan, der mit seinem «Star Wars»-Projekt etwas Ähnliches entwickeln lassen wollte. Das Projekt scheiterte an technischen Problemen und vor allem an den exorbitanten Kosten. Ausserdem befürchtete man, dass durch ein solches System eine sehr gefährliche nukleare Aufrüstungsspirale in Gang hätte kommen können.
Trump will das System bis 2029 realisiert haben. Ist das möglich?
Das ist absolut unrealistisch – weil die weltraumgestützten Systeme zunächst entwickelt, erprobt und produziert werden müssten. Denn man bräuchte Tausende solcher im Weltraum stationierten Abfangraketen, um die USA zu schützen – und es ist keineswegs sicher, dass sie effektiv wären.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.