Zum Inhalt springen

Verbot in Florida geprüft So sinnvoll ist ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige

Florida will unter 16-Jährigen soziale Medien verbieten, um die psychische Gesundheit der Jugendlichen zu schützen. Eine Expertin ordnet ein.

Trauer, Angstzustände oder Depression: In den letzten Jahren haben psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen stark zugenommen. Von 2011 bis 2021 ist das Gefühl von Traurigkeit und Trostlosigkeit bei jugendlichen Mädchen in den USA um 58 Prozent gestiegen – bei den Jungen um 38 Prozent. Dies zeigt eine aktuelle Studie des amerikanischen Center for Disease Control and Prevention (CDC).

Einige Fachpersonen vermuten, dass Social Media dabei eine entscheidende Rolle spielt. Der US-Bundesstaat Florida will nun Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren soziale Netzwerke verbieten und so die psychische Gesundheit der jüngsten Handynutzer schützen.

Ist das Gesetz technisch umsetzbar?

Box aufklappen Box zuklappen

SRF Digital-Redaktor, Guido Berger, gibt eine Einschätzung dazu:

Wie kann die Regierung so ein Gesetz technisch umsetzen?

«Die Regierung von Florida wird einerseits bestimmen müssen, welche Anbieter und Plattformen sich überhaupt an das Gesetz halten müssen. Das wird nicht in jedem Fall völlig klar sein. Dann wird sie diese Anbieter verpflichten, einen Drittanbieter für Altersüberprüfung einzusetzen. Üblicherweise müsste man dann bei so einem Anbieter irgendein Dokument hinterlegen, welches das Alter bestätigt, beispielweise eine ID oder einen Fahrausweis. Das müssten alle tun, die soziale Netzwerke nutzen wollen, also auch Erwachsene – die heute nicht immer so ein Dokument besitzen.»

Wird das funktionieren?

«Die Vorlage ist technisch schon umsetzbar. Sie hat aber beträchtliches Potential für unerwünschte Nebenwirkungen: Faktisch würden so alle Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke in Florida deanonymisiert. Ausserdem würde man eine zentrale Datenbank mit persönlicher Information sehr vieler Menschen anlegen – diese müsste entsprechend gewissenhaft geschützt werden und wäre als Angriffsziel Cyberkrimineller sehr attraktiv. Es könnte ausserdem sein, dass nicht alle Anbieter sozialer Netzwerke den Aufwand betreiben wollen und sich einfach aus dem Staat Florida zurückziehen.»

Können Jugendliche das Gesetz nicht einfach umgehen?

«Zunächst könnten sie versuchen, dem sozialen Netzwerk vorzugaukeln, in einem anderen Staat zu leben. Mit einem gewissen technischen Aufwand lässt sich das aber verhindern. Eine weitere Möglichkeit wäre das Verwenden gefälschter Fahrausweise – eine Praxis, die im Zusammenhang mit Alkoholkonsum Jugendlicher zumindest noch bis vor kurzem weit verbreitet war. Florida hat 2019 aber einen neuen, fälschungssichereren Fahrausweis eingeführt und kennt auch relativ harte Strafen für das Verwenden eines gefälschten oder fremden Ausweises – hier würde es wohl von der Vollzugspraxis abhängen, ob das Jugendliche als zu riskant einschätzen würden.»

Das Repräsentantenhaus hat den Gesetzesentwurf mit 106 zu 13 Stimmen angenommen. Gemäss dem Entwurf sollen Konten von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren gelöscht werden. Zudem sollen Social-Media-Plattformen verpflichtet werden, das Alter der Nutzer bei einer Neuanmeldung von einem Drittanbieter prüfen zu lassen.

Prävention anstatt Verbot

Ein Verbot könne dazu führen, dass weniger Prävention betrieben werde, sagt Nina Hobi, Projektleiterin von Jugend und Medien . «Wenn Jugendliche bis zum 17. Lebensjahr nicht in Berührung mit sozialen Medien kommen, heisst das auch, dass sie sich vorher nie damit auseinandersetzen müssen.» Doch genau, das wäre wichtig: «Man sollte Kindern von klein auf den Umgang mit digitalen Medien beibringen und die Risiken thematisieren», so Hobi.

Der ständige Vergleich in sozialen Netzwerken könne sehr frustrierend sein. Gerade für Jugendliche, die noch dabei sind, sich selber zu finden. «Da muss man gut in die Prävention investieren, damit die Jugendlichen stark genug sind, zu sagen: Ich kann das schön finden, aber ich muss nicht so aussehen.»

Drei Mädchen sitzen auf einem Sofa. Zwei von ihnen schauen auf ihr Handy.
Legende: Immer mehr junge Menschen leiden unter psychischen Problemen. Fachpersonen vermuten einen Zusammenhang mit der zunehmenden Nutzung sozialer Medien. KEYSTONE/Christof Schuerpf

In den Schweizer Lehrplänen ist die Förderung von Medienkompetenz bereits seit längerem verankert. Hierzulande verbringen Jugendliche laut der aktuellen James Studie in ihrer Freizeit durchschnittlich drei Stunden und 14 Minuten am Smartphone – am Wochenende bis zu fünf Stunden. Viel entscheidender als die reine Bildschirmzeit sei, was die Jugendlichen in dieser Zeit tatsächlich tun, sagt Hobi. «Scrollen sie nur durch irgendwelche Feeds oder tauschen sie sich mit Gleichaltrigen aus?»

Frühzeitiges Erkennen ist wichtig

In vielen Beratungsgesprächen mit Jugendlichen, die psychische Probleme haben, spielen soziale Medien eine Rolle, so Hobi. Ob ihre Nutzung ein Auslöser für psychische Probleme sein kann, sei in der Forschung jedoch nicht eindeutig belegt. «Aber die Algorithmen der Plattformen, die einem immer mehr destruktive Inhalte zeigen, wenn man einmal welche angesehen hat, können zu einer Abwärtsspirale führen.»

Hier findest du Hilfe

Box aufklappen Box zuklappen

Wenn es dir oder jemand anderem in deinem Umfeld psychisch nicht gut geht, kannst du dich an eine der folgenden Stellen wenden.

In solchen Situationen sei es wichtig, dass die Eltern dies frühzeitig erkennen, mit ihrem Kind im Gespräch bleiben und gemeinsam nach einer Lösung suchen. «Betroffene Eltern müssen das nicht alleine durchstehen. Sie können sich an Beratungsstellen wenden – das gilt im Übrigen auch für die Kinder.»

In Florida wird der Gesetzentwurf nun dem Senat zur Beratung vorgelegt. Welche Plattformen von dem Gesetz betroffen sind, steht noch nicht fest. Laut Entwurf sind all jene gemeint, die darauf abzielen, dass ein Nutzer «ein übermässiges oder zwanghaftes Bedürfnis hat, die Social-Media-Plattform zu brauchen».

SRF 4 News, 22.01.2024, 17:15 Uhr;flal

Meistgelesene Artikel