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Verbrenner-Aus am EU-Gipfel Benziner-Verbot: Deutschlands Regierung nervt in Brüssel

Am EU-Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs hievt sich ein Thema auf die Agenda, das in diesem Kreis eigentlich nichts verloren hat. Es geht um das Verbot, ab 2035 neue Benzin-Autos in der EU zu verkaufen. Das stellt Deutschland plötzlich infrage, obwohl das schon längst beschlossen war.

Die Regierung Deutschlands exportiert ein innenpolitisches Problem nach Brüssel. Darum reagieren die anderen EU-Staaten zunehmend genervt. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte versucht es diplomatisch: Der EU-Klima-Kommissar, ein Niederländer, werde mit den deutschen Freunden schon eine Lösung finden – in Kürze. Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel versucht es undiplomatisch. Der Rat der EU habe wichtigere Themen zu besprechen.

EU-Staaten kritisieren Deutschland

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz versucht derweilen, die EU-Kommission in die Pflicht zu nehmen. Sie hätte das Versprechen noch nicht eingelöst, einen Vorschlag zu E-Fuels ab 2035 zu machen.

Postwendend zitiert die EU-Kommission aus dem internen Kompromiss vom letzten Herbst, dem Deutschland zugestimmt hat: Zuerst wird das Aus für Verbrennermotoren vom EU-Parlament und den EU-Staaten beschlossen, dann machen wir von der EU-Kommission einen Vorschlag zur Frage von E-Fuels. Das hat Zeit und ist nicht dringend.

Weil die Regierungskoalition in Berlin alles andere als effizient arbeitet, reagieren die anderen EU-Staaten immer stärker mit offener Kritik an Deutschland. Der Eindruck festigt sich, dass die Regierung von Bundeskanzler Scholz unfähig ist, vor der eigenen Haustür zu wischen und tatsächlich den versprochenen Wandel anzugehen. Trotzdem fällt auf, wie gerne deutsche Regierungsmitglieder weiterhin andere EU-Staaten belehren, was der richtige einzuschlagende wirtschaftspolitische Weg sei – zum Beispiel in der Energiepolitik.

Brüssel hat dringendere Probleme

Vorbei ist die Zeit, als das Wort der Bundeskanzlerin im Europa-Gebäude in Brüssel zählte. Für 26 von 27 EU-Staaten ist das Thema abgeschlossen. Alte Kompromisse wieder aufzuschnüren, will niemand. Aber offen wird die Forderung an Deutschland ausgesprochen, das innenpolitische Palaver zwischen Grünen, SPD und FDP in Berlin zu belassen.

In Brüssel gibt es dringendere Probleme zu beraten. Wo käme die EU hin, wenn Frankreichs Präsident Macron seine missratene Rentenreform auf die europäische Agenda hieven würde? Fast alle haben das verstanden.

Charles Liebherr

EU-Korrespondent

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Charles Liebherr ist EU-Korrespondent von Radio SRF. Davor war er unter anderem in der SRF-Wirtschaftsredaktion tätig, später war er Frankreich-Korrespondent. Liebherr studierte in Basel und Lausanne Geschichte, deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Politologie.

Tagesschau, 23.3.2023, 19:30 Uhr

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